Schulstart: Eltern müssen immer mehr zahlen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Pro Schuljahr und Kind werden 855 Euro ausgegeben, Tendenz steigend. Das können sich nicht alle leisten, zeigt der Sozialbarometer der Volkshilfe.

Wien. Die Kassen klingeln derzeit. Bereits am Montag startet der Osten des Landes in das neue Schuljahr, und dafür muss – vom Buntstift bis zur Schultasche – in den meisten Familien noch so einiges besorgt werden. Es sind kostenintensive Tage. Allgemein wird der Schulbesuch, so sagen es die Eltern, zu einer immer größeren finanziellen Belastung.

Laut dem Sozialbarometer der Volkshilfe, einer von Sora durchgeführten Umfrage unter 1000 Personen, sind mehr als acht von zehn Befragten der Meinung, dass die Kosten, die Eltern für den Schulbesuch ihrer Kinder tragen müssen, immer höher werden (siehe Grafik). Befragte, die selbst Kinder unter 15 Jahren haben, stimmen dieser Aussage sogar noch deutlicher zu. „Die Gratisschule wird seit den 1970er-Jahren propagiert. Damals hat das noch zugetroffen. Heute gibt es keine Gratisschule mehr“, sagt Erich Fenninger, der Direktor der Volkshilfe Österreich.

Nicht jeder kann sich den Skikurs leisten

Im Schnitt geben Eltern pro Schuljahr und Kind 855 Euro aus. Ein Viertel davon wird zu Schulbeginn – etwa für Schreibmaterialien und Selbstbehalte für Elternvereine – lockergemacht. Der größte schulische Kostenfaktor sind allerdings Skikurse und Landschul- bzw. Sprachwochen. Die können sich allerdings nicht alle Familien leisten. Das zeigt der Sozialbarometer. Demnach kennt mehr als die Hälfte der Befragten mindestens ein Kind, das aufgrund der finanziellen Lage des Haushaltes nicht an einer Schullandwoche oder einem Skikurs teilnehmen kann.

Die Kosten, die rund um den Schulbesuch entstehen, treffen laut Volkshilfe vor allem die fast 300.000 armutsgefährdeten Kinder und Jugendlichen. Zu Schulbeginn wurden ihnen von der Volkshilfe deshalb Gutscheine im Wert von 60.000 Euro zur Verfügung gestellt. Sie sind bereits vergriffen. Denn der Andrang wird jährlich größer. Eine „dünne Geldbörse“, sagt Fenninger, könne „die Matura verhindern“. Die Schullaufbahn armer Kinder sei auch aus finanziellen Gründen kürzer. Die Ausgaben der Eltern würden laut einer Studie der Arbeiterkammer mit zunehmendem Alter steigen. Auch der Schultyp ist ausschlaggebend. Während für einen Volksschüler im Schnitt 522 Euro pro Jahr ausgegeben werden, sind es für einen Mittelschüler 833 Euro und für einen Gymnasiasten in der Oberstufe 1296 Euro.

Auch die Mehrheit der Befragten pflichtet der Aussage, dass die Schullaufbahn ärmerer Kinder aufgrund der finanziellen Situation kürzer ist, bei. 75 Prozent sehen die Kosten für Nachhilfe, Nachmittagsbetreuung, Schreibwaren oder Sportwochen als Grund, warum Kinder armer Familien oft keine höhere Schule besuchen. Allein für die Nachhilfe werden jährlich 110 Millionen Euro ausgegeben. Pro Kind, das Nachhilfe bezieht, werden 660 Euro ausgegeben. Für viele ist Nachhilfe aber per se unleistbar.

Grundsicherung für Kinder eine Option

Die Bereitschaft, ärmere Familien durch öffentliche Ausgaben zu unterstützen, ist groß. Mehr als sieben von zehn Befragten stimmen der Forderung, dass schulrelevante Zusatzausgaben für Kinder aus armen Familien finanziert werden sollen, zu. Ähnlich viele können sich eine Kindergrundsicherung vorstellen. Dabei handelt es sich um einen Fixbetrag über die Familienbeihilfe hinaus, der armutsbetroffenen Kindern zustehen sollte. Wie hoch diese Grundsicherung sein sollte, an deren Modell die Volkshilfe derzeit arbeitet, wollte der Direktor nicht konkret sagen. Die Vorstellungen kreisen um 500 Euro.

Die Volkshilfe, die die Umfrage gemeinsam mit dem Marie-Jahoda-/Otto-Bauer-Institut präsentiert hat, wünscht sich für den Bildungserfolg ärmerer Kinder außerdem eine Gesamt- und Ganztagsschule. Letztere dürfe – im Gegensatz zur derzeitigen Praxis – die Eltern allerdings nichts kosten. (j. n.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2017)

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