Katzenjammer im Silicon Valley nach Trump-Sieg

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US-TRUMP-SUPPORTER-AND-ENTREPRENEUR-PETER-THIEL-DISCUSSES-PRESIDAPA/AFP/GETTY IMAGES/ALEX WONG
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Die Internetbranche hat im Wahlkampf fast geschlossen Hillary Clinton unterstützt. Für den Kandidaten Trump hatten die Tech-Größen nur Kritik und Spott übrig. Nun stellen sie sich zähneknirschend auf den neuen Präsidenten ein.

Wien/San Francisco. Im Bangen der Wahlnacht sprach der Start-up-Investor Shervin Pishevar vielen im Silicon Valley aus dem Herzen: „Wenn Trump gewinnt, werde ich eine Kampagne ankündigen und finanzieren, damit Kalifornien zu einer eigenständigen Nation wird“, schrieb Pishevar – und erntete Applaus. Zwischen dem Silicon Valley und dem „Rostgürtel“ Amerikas, aus dem die entscheidenden Stimmen für Trump kamen, klafft schon lang ein Graben, der sich nun noch weiter vertieft hat. Auf der einen Seite das Zuhause globaler Technologieriesen wie Google, Apple, Facebook und eine boomende Internetbranche, die viele Millionäre produzierte. Auf der anderen die vom wirtschaftlichen Niedergang gebeutelte alte Industrie mit Verlierern der Digitalisierung, die Trump geschickt angesprochen hat.

Im Wahlkampf war der Ton zwischen Trump und den Kapitänen des Tech-Sektors unfreundlich und scharf. Amazon-Chef Jeff Bezos, dem auch die Weltraumfirma Blue Origin gehört, ließ durchblicken, dass er den Kandidaten gern ins All schießen würde. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg warnte bei einem Auftritt in Berlin vor „ängstlichen Stimmen“, die Mauern bauen und alle, die anders seien, ausgrenzen wollen.

Facebooks Filterblase half Trump

Das Silicon Valley ist traditionell liberal. Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: Hillary Clinton erhielt von der Internetbranche 114-mal (!) mehr Wahlkampfspenden als Trump. Im Sommer unterzeichneten 140 Manager des Sektors einen offenen Brief gegen Trump, in dem sie seine Ansichten zu Migration, Internetsicherheit und öffentlichen Investitionen verdammten. Sollte er sie umsetzen können, würde das die Tech-Industrie abwürgen. Einen einsamen Unterstützer aber hatte Trump auch im Silicon Valley: Peter Thiel, den milliardenschweren Mitgründer des Bezahldienstes Paypal. Er musste dafür in seinen Kreisen viel Kritik und auch Spott einstecken.

Zugleich müssen sich nun aber gerade Facebook und Trumps Lieblingsdienst Twitter vorhalten lassen, mit ihrer Filterblase den Wahlsieg des Populisten erst ermöglicht zu haben: Ihre Algorithmen tischen den Nutzern auf Wunsch nur solche Nachrichten auf, die zu ihren Ansichten passen. Außerdem habe Facebook zu wenig gegen die Ausbreitung eindeutig falscher Nachrichten unternommen. „Solange etwas in sozialen Medien ist, fangen die Menschen an, daran zu glauben“, betonte Präsident Barack Obama.

Es geht aber nicht nur um Überzeugungen, sondern auch um Geld. Setzt Trump seine Wahlkampfankündigungen um, könnte das direkt ins Geschäft der Internetbranche schneiden. Seit Jahrzehnten ist für die Unternehmen der Zufluss qualifizierter Fachleute aus dem Ausland lebenswichtig. Schon bisher gab es für vorübergehend Beschäftigte Quoten, die sehr schnell ausgeschöpft wurden. Was passiert, wenn Trump bei der Zuwanderungspolitik die Schrauben anzieht? Elon Musk hat noch ganz andere Sorgen: Er hat mit Tesla eine Milliardenwette auf Elektroautos abgeschlossen. Ob er sie gewinnt, hängt davon ab, wie umweltfreundlich die Politik der nächsten US-Regierung sein wird. Trump behauptet, der Klimawandel sein nur ein Schwindel. Welche Entscheidungen sind von ihm im Weißen Haus wohl zu erwarten?

Konzernchefs wie Tim Cook bei Apple versuchen nach dem polarisierenden Wahlkampf Ruhe in die Reihen der Mitarbeiter zu bringen. „Lasst uns vorangehen – gemeinsam!“, schrieb Cook in einem internen E-Mail. Gegen Apple hat Trump im Wahlkampf Drohungen ausgestoßen: Er werde den Konzern (wie auch andere) dazu zwingen, seine Produkte in den USA zu produzieren.

Amazon-Chef streckt Hand aus

Auch Amazon-Chef Bezos bemüht sich nun um einen konzilianten Ton. Er stehe dem künftigen Präsidenten „ganz offen“ gegenüber. Meg Whitman, die Chefin von Hewlett Packard Enterprise, will Trump „die Möglichkeit geben zu zeigen, dass er unser vielfältiges Land führen kann“. Zuckerberg stimmt zwar einen hoffnungsvollen Ton an, bleibt aber kritisch: Die Zukunft der Kinder sei „ein größeres Werk als jede Präsidentschaft“. Und: „Der Fortschritt bewegt sich nicht auf einer geraden Linie vorwärts.“

Unmittelbar an sein Geschäft denkt hingegen der Wagniskapitalinvestor Fred Wilson. Er kann in seinem Blog dem politischen Umbruch durchaus Positives abgewinnen. Es ist die Standardantwort eines Risikoinvestors auf schlechte Nachrichten: „Zeiten mit weit verbreiterter Angst gehen immer einher mit neuen Chancen.“ (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2016)

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