Dominic Thiem hat bei den ATP-Finals den Aufstieg verpasst, ist für 2017 aber „hungrig auf mehr“. Zuvor wartet der verdiente Urlaub.
London/Wien. Der nächste Meilenstein blieb Dominic Thiem verwehrt, der Auftritt bei den World Tour Finals in London war dennoch ein würdiger Abschluss seiner Erfolgssaison. Im letzten Gruppenspiel unterlag Österreichs Nummer eins dem Kanadier Milos Raonic 6:7(5), 3:6, damit muss die rot-weiß-rote Premiere im Halbfinale des Kräftemessens der Jahresbesten weiter warten, denn auch Thomas Muster war jeweils nach der Gruppenphase (1990, 1995, 1996, 1997/als Ersatzmann chancenlos) ausgeschieden.
„Die Woche war in Ordnung“, zog Thiem ein durchaus positives Resümee. „Ich bin nicht mit einem großen Selbstvertrauen hergekommen und sehr glücklich, dass ich am letzten Spieltag noch alle Chancen auf den Aufstieg hatte.“ Möglich gemacht hatten dies der allererste Satzgewinn gegen Novak Ðjoković sowie ein Sieg gegen Gaël Monfils. Gegen den aufschlagstarken Raonic aber waren 18 unerzwungene Fehler bei 17 Winnern letztlich zu viel, insbesondere das Tiebreak im ersten Satz gab der Lichtenwörther leichtfertig aus der Hand. „Es waren drei schlechte Punkte. Das ist der Unterschied zu einem Ðjoković, der das relativ trocken runtergespielt hat.“ Dennoch, die Erfolgserlebnisse haben den 23-Jährigen „hungrig auf mehr“ gemacht, wie er betonte: „Es ist ein ganz ganz großes Ziel, in Zukunft wieder hierherzufahren.“
Überraschender Geldregen
Die Heimreise aus England tritt Thiem um 358.000 Dollar und 200 Weltranglistenpunkte reicher an, er wird damit im Ranking als Nummer acht überwintern. Zudem erhält der Niederösterreicher einen weiteren Bonus in Höhe von 272.000 Dollar, die die ATP aus einem Bonus-Pool an die Topgereihten verteilt – ein überraschendes Weihnachtsgeld, wie Thiem gestand: „Davon wusste ich nichts.“
Insgesamt kommt er damit auf 3.047.118 Dollar (2,84 Mio. Euro) Preisgeld in diesem Jahr, sein bislang lukrativstes, und hat damit in seiner Karriere bereits die Fünf-Millionen-Schallmauer geknackt. Im – nicht inflationsangepassten – Vergleich: Muster brachte es in seiner Profi-Zeit auf gut zwölf Millionen Dollar Preisgeld, Jürgen Melzer rangiert knapp unter zehn Millionen. Davon müssen freilich Steuern bezahlt sowie sämtliche Ausgaben für das Betreuerteam und Reisen gedeckt werden. Dass Thiem inzwischen gut verdient, bestreitet sein Trainer aber nicht. „Das Risiko und die Investitionen von ihm und seiner Familie waren nicht unbeträchtlich. Wenn einer viel riskiert, darf er auch viel gewinnen“, meinte Günter Bresnik.
Mit 58 Siegen in 82 Matches, vier Titeln und dem Vorstoß ins Halbfinale der French Open hat sich Thiem die Latte für das kommende Jahr hoch gelegt, er anerkannte den „relativ großen Sprung“ in seiner Entwicklung. Für 2017 will er weiter an Aufschlag und Return feilen und einer geringeren Fehlerquote in langen Rallys bei hohem Tempo arbeiten. Bevor Thiem am 4. Dezember auf Teneriffa in die Vorbereitung auf die neue Saison startet, gönnt er sich eine verdiente Auszeit auf den Malediven. „Ich werde mich nur ausrasten. Ich brauche das sehr und freue mich auf den Urlaub.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2016)