Merkel will es noch einmal schaffen

Angela Merkel, Episode IV. Ungeachtet schwerer Ansehensverluste wegen der Flüchtlingskrise will sie im nächsten Jahr noch einmal antreten, um deutsche Kanzlerin zu werden.
Angela Merkel, Episode IV. Ungeachtet schwerer Ansehensverluste wegen der Flüchtlingskrise will sie im nächsten Jahr noch einmal antreten, um deutsche Kanzlerin zu werden. (c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
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Angela Merkel strebt bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 eine vierte Amtszeit an. Dabei möchte die Kanzlerin auch enttäuschte Wähler von der AfD zurückholen – mit einem harten Integrationskurs.

Berlin. Am Sonntag wurde das Geheimnis gelüftet: Angela Merkel wird bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 noch einmal für die Kanzlerschaft kandidieren. Sie habe „unendlich viel darüber nachgedacht“, sagte die 62-Jährige bei einer Pressekonferenz am Sonntagabend nach einer Sitzung der CDU-Gremien. Die Entscheidung sei „alles andere als trivial“ gewesen – „weder für das Land noch für die Partei noch für mich persönlich.“ Aber sie wolle Deutschland „weiter dienen“ und damit etwas von dem zurückgeben, was sie in den vergangenen Monaten an Ermunterung erfahren habe – in der Bevölkerung, aber auch in ihrer Partei.

Merkel ist seit November 2005, also seit elf Jahren, im Amt. Nur Konrad Adenauer (1949 bis 1963) und Helmut Kohl (1982 bis 1998) haben in der Nachkriegsgeschichte der BRD bzw. Deutschlands länger regiert.

Die Bundestagswahl 2017 werde „schwierig wie keine zuvor“, sagte die Kanzlerin. Es werde Anfechtungen von allen Seiten geben, nämlich eine Polarisierung von rechts – und auf der linken Seite das Bemühen um eine rot-rot-grüne Bundesregierung.

Die sich zu Ende neigende Legislaturperiode war – innen- wie außenpolitisch – von Konflikten geprägt. Da waren die Flüchtlingskrise, die Annexion der Krim durch Russland, der Syrien-Krieg, der Brexit und eine sich verändernde Türkei. Merkel glaubt nicht, dass ihr Job einfacher wird – im Gegenteil. Es ehre sie zwar, wenn sie jetzt, da Donald Trump Präsident der USA werde, zur Anführerin des Westens ausgerufen werde. Aber diese Erwartungen seien geradezu „grotesk und absurd“. Kein Mensch könne Dinge allein zum Guten wenden. Es werde weiterhin Kompromisse brauchen. „Erfolge zu erzielen – das geht nur gemeinsam“, so Merkel.

Flüchtlinge: Kompromiss mit der CSU

Am 6. Dezember wird sie sich zunächst einmal als Parteivorsitzende wiederwählen lassen. Beim CDU-Parteitag in Essen soll dann auch schon das Konzept für den Wahlkampf stehen. Hauptgegner sind die SPD und die rechtspopulistische AfD, von der man enttäuschte Wähler zurückholen möchte. Man wolle um jene werben, „die sich als Modernisierungsverlierer sehen“ und derzeit „Zuflucht bei populistischen Parteien suchen“, heißt es in einem Leitantrag für den Parteitag, den die CDU-Gremien am Sonntag ausgearbeitet haben. Titel: „Orientierung in schwierigen Zeiten – für ein erfolgreiches Deutschland und Europa.“

In dem 17-seitigen Papier wird unter anderem ein harter Kurs in der Integrationspolitik angekündigt: „Wer sich der Integration verweigert und unsere Rechts- und Werteordnung missachtet, muss mit Sanktionen bis hin zu Leistungskürzungen und Ausweisung rechnen.“ Die Vollverschleierung vor Gericht und Behörden sowie die Eheschließung mit Minderjährigen sollen verboten werden. Gleichzeitig wird aber auch betont, dass Deutschland eine offene, liberale Gesellschaft sei, in der Vielfalt geschätzt werde.

In der Flüchtlingspolitik will die CDU weiterhin keine Obergrenze bei den Asylanträgen. Allerdings soll alles unternommen werden, damit nicht ein weiteres Mal binnen eines Jahres fast eine Million Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland kommen. Damit scheint auch die bayrische Schwester, die Merkel heftig für ihre Politik kritisiert hat, leben zu können. CSU-Chef Horst Seehofer kündigte am Sonntag Unterstützung für die Kanzlerin an: „Wir wollen für weitere vier Jahre das Vertrauen der Bevölkerung. Deshalb ist es für heute gut, dass jetzt Klarheit herrscht.“

Laut einer Umfrage unterstützt die Mehrheit der Deutschen eine vierte Amtszeit Merkels. 55 Prozent der Befragten hätten sich positiv geäußert, 39 Prozent negativ, schrieb die „Bild am Sonntag“. Im Vergleich zu August hat sich die Zustimmung damit verbessert: Da waren 50 Prozent gegen eine weitere Amtszeit und nur 42 Prozent dafür. (pri/wg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2016)

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