Wiener Mafia-Prozess: „Wir sind die Stärksten der Stadt“

Schon bei Verhandlungsstart im Oktober war das Sicherheitsaufgebot enorm, mittlerweile sollen Zeugen bedroht worden sein.
Schon bei Verhandlungsstart im Oktober war das Sicherheitsaufgebot enorm, mittlerweile sollen Zeugen bedroht worden sein.(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Die Balkanmeile am Wiener Gürtel steht im Mittelpunkt eines groß angelegten und streng bewachten Strafverfahrens. Dabei geht es um Schutzgeld, Gewalt und Drogen.

Wien. Wäre das Ganze ein Krimi, man würde den Plot wohl für zu klischeehaft halten: Eine mutmaßlich mafiöse Organisation – der Staatsanwalt spricht von „krimineller Vereinigung“ – muss sich dieser Tage in Wien vor Gericht verantworten. Die Vorwürfe, die gegen sieben Angehörige der Gruppierung Struja (Strom) erhoben werden, sind für diese Art der Kriminalität typisch: Erpressung, Nötigung, Brandstiftung, schwere Körperverletzung, gefährliche Drohung, Suchtgifthandel etc.

Als Kopf der Vereinigung gilt laut Anklage Edin D. (38), genannt Edo. Der gebürtige Bosnier ist auf der berüchtigten Balkanmeile am Wiener Gürtel wohlbekannt. Schon 2006 fand sich sein Name in diversen Medien, da in dem damals von ihm betriebenen Hernalser Lokal Cappuccino ein Mord begangen worden war, der bis heute nicht aufgeklärt ist.

Nun soll D. „als Kopf einer kriminellen Vereinigung“ die Betreiber eines Ottakringer Lokals zur Zahlung von Schutzgeld gebracht haben. Der Staatsanwalt: „Die Vorgangsweise (. . .) ist dadurch gekennzeichnet, dass in dem betroffenen Lokal von Mitgliedern der kriminellen Vereinigung in wechselnder Beteiligung ohne begreiflichen Anlass körperliche Übergriffe auf Lokalgäste stattfinden.“ So sei der Lokalbetreiber gezwungen worden, Sicherheitsleute einzustellen – Leute aus dem Kreis um D. Damit habe die Gruppierung dieses – offenbar besonders „widerspenstige“ – Lokal unter Kontrolle gebracht. 50.000 Euro sollen an die Vereinigung bezahlt worden sein.

„Habe Gutscheine verteilt“

Als buchstäblich schlagkräftige Abgesandte der Gruppierung sind drei tschetschenische Kampfsportler mitangeklagt, darunter auch ein 34-jähriger, dreifach vorbestrafter Asylwerber. „Siehst Du jetzt, wer wir sind? Wir sind die Stärksten der Stadt“, soll D. den Betreibern des besagten Lokals gedroht haben.

D., verteidigt von Staranwalt Herbert Eichenseder, will mit organisierter Kriminalität nichts zu tun haben. Bei dem unter rigorosen Sicherheitsvorkehrungen geführten Prozess – die teils mit Sturmgewehren ausgerüsteten Uniformierten erlaubten Eichenseder am Montag nicht einmal die Übergabe eines Kugelschreibers an D. („Das ist auch eine Waffe“) – stellt sich der Hauptangeklagte als Mann mit sozialer Kompetenz dar. Er gibt an, seine Mitangeklagten (bis auf einen) aus dem von ihm betriebenen Boxverein zu kennen. Und: „Ich habe mich für Integration eingesetzt. Ich habe Gutscheine für Deutschkurse verteilt.“ Mit der Mafia habe er nichts zu tun. Anwalt Eichenseder erklärte zuletzt, sein Mandant sei ein erfolgreicher Immobilienmakler und Vermittler von Musikern aus Balkanländern.

Die Staatsanwaltschaft zeigt sich davon wenig beeindruckt, sie listet in einem anderen Anklagepunkt auch die Demolierung eines Geschäfts in der Lugner City und ein zur Abschreckung angezündetes Auto auf. Zwei Tschetschenen sollen verbotenerweise Faustfeuerwaffen besessen haben. Zudem soll D. an Cannabisschmuggel von Bosnien nach Österreich beteiligt gewesen sein. D. bestreitet auch das. Auch die anderen Angeklagten (darunter auch eine Frau) bekennen sich nicht schuldig.

Die Sicherheit bei Gericht dürfte bald noch weiter hinaufgeschraubt werden. Das Bundeskriminalamt warnt: Man habe Informationen, wonach ein Kopfgeld von bis zu 200.000 Euro ausgesetzt worden sei, um einen Belastungszeugen zum Schweigen zu bringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2016)

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