Mafia-Prozess: Zeugen werden bedroht

Archivbild: Sicherheitsvorkehrungen beim vergangenen Prozesstag
Archivbild: Sicherheitsvorkehrungen beim vergangenen ProzesstagAPA/HERBERT NEUBAUER
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Der Hauptbelastungszeuge im laufenden Prozess um angebliche Schutzgelderpressungen in Wien wurde im Gefängnis mehrmals eingeschüchtert. Auf einen weiteren Zeugen soll ebenfalls ein Kopfgeld ausgesetzt worden sein.

Zwei Zeugen in einem im Wiener Landesgericht anhängigen Prozess gegen eine mutmaßliche Mafia-Bande, die laut Anklage auf Schutzgeld-Erpressungen spezialisiert war, befinden sich möglicherweise in Lebensgefahr. Entsprechende Verdachtsmomente bestätigten Ermittlungen des Bundeskriminalamts. Seither wird die Verhandlung unter strengsten, bisher nicht da gewesenen Sicherheitsvorkehrungen geführt.

Der Hauptbelastungszeuge, der im Ermittlungsverfahren gegen den mutmaßlichen Banden-Boss Edin D. alias "Edo" ausgesagt und diesen sowie die sechs Mintangeklagten belastet hatte, verbüßt derzeit in einem Gefängnis in Ostösterreich eine Strafhaft. Dort soll er seit vergangenem August von einem tschetschenischen Häftling massiv bedroht worden sein.

Seinen Angaben zufolge wurde der Mann mindestens drei Mal von dem Tschetschenen bei Zusammentreffen beim Hofspaziergang und in der Anstaltskantine eingeschüchtert. Zwei Justizwachebeamte der betreffenden Justizanstalt (der APA ist diese bekannt, aus Sicherheitsgründen wird sie nicht genannt, Anm.) bekamen verbale Auseinandersetzungen der beiden mit. "Du Hurensohn, wir werden dich töten. Wir werden deine Familie finden, wegen dir sind meine Freunde im Gefängnis. Wir werden deine Familie finden und umbringen. Wir wissen, dass dein Sohn in Italien lebt. Du wirst schon sehen, was wir mit dir machen werden, wir sind genug Tschetschenen hier", bekam der 38-Jährige seiner Darstellung nach zu hören.

Angst um Familie

Er wandte sich schließlich ans Bundeskriminalamt, weil der gebürtige Serbe um Leben und Sicherheit seiner Familie fürchtet. Drei Angeklagte in dem anhängigen Mafia-Prozess sind tschetschenischer Herkunft. Ihr Landsmann wurde mittlerweile in eine andere Justizanstalt verlegt. Die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft hat gegen ihn bereits ein Ermittlungsverfahren wegen schwerer Nötigung und gefährlicher Drohung eingeleitet.

Die Befürchtung, dass auf den Kronzeugen angeblich ein "Kopfgeld" ausgelobt wurde, hat sich unterdessen erhärtet. Ein Mitgefangener des Betroffenen teilte in einer Zeugenbefragung dem Bundeskriminalamt mit, er habe in seiner Zelle ein entsprechendes Gespräch mitangehört. Mehrere Insassen hätten sich über "den Serben, der die Tschetschenen verraten hat" unterhalten und erörtert, dass dieser umgebracht werden soll, gab der Häftling bekannt. "Der wird schon seine Strafe bekommen", soll es geheißen haben und dass "der Bosnier" auf den Zeugen schon "Kopfgeld in der Höhe von 250.000 Euro" geboten hätte.

100.000 Euro Kopfgeld

Mehrere Angeklagte in dem Mafia-Prozess sind in Bosnien zur Welt gekommen, wenn sie auch nicht die bosnische Staatsbürgerschaft besitzen. Der Belastungszeuge - er steht in Kontakt mit Beamten des Zeugenschutzprogrammes - nimmt die Drohungen sehr ernst. Er hat dem Vernehmen nach seine Familie aufgefordert, das Elternhaus zu verkaufen und umzuziehen. Der 38-Jährige soll am kommenden Dienstag im Prozess gegen "Edo" im Zeugenstand erscheinen.

Für denselben Tag ist ein zweiter Zeuge geladen, der gemäß seinen Angaben seit April bedroht wurde, indem er laufend entsprechende Anrufe erhielt. Er nahm sich die Drohungen zunächst nicht zu Herzen. Das änderte sich, als er zunächst bei einem Aufenthalt in Berlin erzählt bekam, in Wien würden 100.000 Euro dafür geboten, wenn ein Zeuge nicht mehr zu Gericht kommen könne.

Konkreteres will der Mann dann Mitte Oktober bei einem Besuch bei Freunden in Serbien erfahren haben. Dort hieß es seinen Angaben zufolge, "Edo" hätte "Leute organisiert", die ihn, den Zeugen, "für 50.000 oder im Ausland 100.000 Euro erledigen sollen". In dem serbischen Heimatort des 35-Jährigen soll - wie er dem Bundeskriminalamt versichert hat - dann auch ein "Rollkommando" erschienen sein, ihn jedoch nicht mehr angetroffen haben.

(APA)

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