Der Todesflug eines Fußballteams

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A picture dated 23 November 2016 and made available on 29 November 2016 shows players of the Braziliimago/Agencia EFE
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Beim Absturz einer Chartermaschine über Kolumbien sind 71 Menschen gestorben. An Bord war auch die Mannschaft des brasilianischen Erstligisten AF Chapecoense.

Brasilia/Buenos Aires. Die Reise nach Antioquia sollte der größte Erfolg der Klubgeschichte werden. Doch sie geriet zum schlimmsten Desaster in der Historie der Associação Chapecoense de Futebol, des brasilianischen, des südamerikanischen, ja, des Weltfußballs.

Als die Maschine, bepinselt mit dem grünen Klubwappen und voll besetzt mit Spielern, Betreuern, Vereinsführern und Berichterstattern, am späten Montagnachmittag im bolivianischen Santa Cruz de la Sierra abhob, waren alle an Bord voller Zuversicht, dass der „Hurrikan des Westens“ auch noch die letzten zwei Spiele einer beeindruckenden Serie erfolgreich absolvieren würde. Der kleine Verein aus dem ländlichen Süden Brasiliens, erstklassig seit 2014, war bei seinem ersten internationalen Auftreten frech bis ins Finale der Copa Sudamericana gestürmt.

Am Mittwoch wollte das Team des Trainers Caio Juniór im ersten der beiden Endspiele gegen die Mannschaft von Atlético Nacional antreten, Südamerikas derzeit erfolgreichstem Verein, der im August die Copa Libertadores gewonnen hatte, Südamerikas Champios League. Doch sie kamen nicht nach Medellín. Die Maschine zerschellte am Berg El Gordo nahe der Ortschaft La Unión, etwa 30 Kilometer südlich des internationalen Flughafens José María Córdova. Sieben der 77 Insassen überlebten zunächst den Aufprall: vier Spieler, ein Flugtechniker, eine Stewardess und ein Radioreporter. Aber Danilo Padilha, einer der Torhüter, erlag in der Klinik seinen Verletzungen.

Probleme mit der Elektronik

Als um 21.53 Uhr Ortszeit der Funkkontakt zwischen dem Tower des Flughafens und der Maschine abbrach, flog diese eine Warteschleife in einer Höhe von knapp fünf Kilometern. Nach Angaben der kolumbianischen Flugüberwachung hatten die Piloten Probleme mit der Bordelektronik gemeldet, womöglich ging der Maschine aber auch der Treibstoff aus – was erklären würden, warum das Wrack nach dem Absturz nicht Feuer fing. Zudem ging über den zentralen Kordilleren zum Unglückszeitpunkt ein heftiges Gewitter nieder.

Klimatische Widrigkeiten erschwerten auch die nächtlichen Rettungsanstrengungen. Ein Hubschrauber musste wegen fehlender Sicht kehrtmachen. Notärzte und Sanitäter vermochten nur mühevoll zu Fuß zur Unfallstelle vorzudringen, was Versorgung und Abtransport der Überlebenden dramatisch erschwerte.

Dieses Verhängnis trifft insbesondere drei Staaten: Kolumbien, Brasilien und Bolivien. Denn die Maschine und ihre Besatzung stammen aus dem armen Andenland. Die Airline Lamia, ursprünglich 2009 in Venezuela gegründet, hat inzwischen ihre Basis in Viru Viru, dem internationalen Airport der boomenden bolivianischen Tieflandmetropole La Paz.

Die Airline verchartert ihre zwei Maschinen vornehmlich an Minenkonzerne, Fußballklubs und gelegentlich Nationalmannschaften. Im Netz kursiert ein Foto der abgestürzten Piloten mit Argentiniens Stars Javier Mascherano und Lionel Messi. Das argentinische Nationalteam soll mit der Maschine erst vor zwei Wochen geflogen sein.

Auch das Team aus der 200.000-Einwohner-Stadt Chapecó hatte Lamia für Auswärtsspiele gebucht. Nun sollte die Maschine die Mannschaft eigentlich direkt nach Kolumbien fliegen, doch das verhinderte die brasilianische Luftaufsicht. So musste die Delegation mit Linienmaschinen via São Paulo nach Santa Cruz fliegen, wo der Unglücksjet wartete.

Die Maschine vom Typ Avro Regional Jet 85 war 1999 in den Dienst gestellt worden. Gebaut wurde dieses Modell von British Aerospace in Manchester zwischen 1978 und 2001. Die als effektiv und äußerst leise geltenden Kurz- bis Mittelstreckenmaschinen waren mit insgesamt 387 verkauften Einheiten das erfolgreichste Zivil-Exemplar der britischen Luftfahrtindustrie. In Europa werden diese älteren Jets immer weniger eingesetzt, aber Kompanien aus mehreren Andenstaaten nutzen das Modell weiter, dessen vier Triebwerke auch Starts auf eher kurzen Bahnen ermöglichen – ein erheblicher Vorteil vor allem im Gebirge.

Dem Tod entronnen

Mehrere Funktionäre des Klubs und Politiker konnten dem Unglück entgehen. Der Vizepräsident des Vereins, der Bürgermeister von Chapecó sowie der Gouverneur von Santa Caterina hatten am Montag ihre Flüge nach Medellín verschoben. Sie wollten erst direkt zum Spiel anreisen. Nun müssen sie die verzweifelten Familien der Verunglückten betreuen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2016)

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