Was Dänemark ausmacht

Archivbild vom Kopenhagener Rathaus.
Archivbild vom Kopenhagener Rathaus.(c) REUTERS (STAFF)
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In einer Abstimmung bestimmten die Dänen zehn Werte "für die Zukunft der Gesellschaft", die Teil eines Kulturkanons werden sollen. Es gibt auch Kritik.

"Hygge", Handwerk oder christliches Kulturerbe: Was macht Dänemark aus? Während Deutschland über den Begriff der "Leitkultur" streitet, haben die Dänen über einen Wertekanon abgestimmt. Der soll den Einwohnern des Königreichs dabei helfen, sich in Zeiten der Einwanderung und internationaler Konflikte auf ihre dänischen Werte zu besinnen.

Zugezogenen Ausländern soll der Kanon zeigen, "in welchen Bereichen wir keine Kompromisse eingehen", wünscht sich der frühere dänische Kulturminister Bertel Haarder. Mit der Flüchtlingskrise ist die Diskussion darüber, was es bedeutet, dänisch zu sein, und wie die Dänen die "kulturelle DNA" des Landes bewahren können, in dem Fünf-Millionen-Einwohner-Land neu entbrannt. "Unsere Werte sind unter Druck", schreibt Dänemarks älteste Zeitung "Berlingske". Der Zeitpunkt für Haarders "Danmarkskanon", der am Montag veröffentlicht wurde, könne daher nicht besser sein.

Tatsächlich sind unter den zehn Werten, für die die Bürger in einer Online-Umfrage gestimmt haben, vor allem solche, die besorgte Dänen bedroht sehen - durch muslimische Einwanderung, Einschnitte im Gesundheitssystem oder Globalisierung. "Man erstellt so einen Kanon ja gerade, um Klarheit zu schaffen, wo Zweifel herrscht", sagt der Historiker Jes Fabricius Møller von der Universität Kopenhagen.

"Hygge" vorne mit dabei

Rund 327.000 Stimmen wurden bei der Umfrage abgegeben. Demnach identifizieren die Dänen sich besonders über ihre Sprache, Freiheit und den Wohlfahrtsstaat. Auch die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Gleichheit vor dem Gesetz, Vereinsleben und Freiwilligkeit, Freisinn und Vertrauen liegen den Menschen in dem Fünf-Millionen-Einwohner-Land am Herzen.

Wichtig ist ihnen auch das Konzept der "Hygge", das in etwa Gemütlichkeit heißt, aber einen allgemeineren Zustand des Wohlfühlens beschreibt. Für die Dänen, die mehr Kerzen verbrauchen als die meisten anderen Europäer, kann das ein Abend mit Freunden zuhause genauso sein wie ein Kinobesuch oder ein Fußballspiel. Das Phänomen hat es in den letzten Jahren international zu Berühmtheit gebracht: In England wäre "Hygge" beinahe zum Wort des Jahres gewählt worden.

Nicht geschafft haben es unter den 20 Begriffen, über die die Dänen abstimmen konnten, etwa "Dänemark in der Welt", Mitmenschlichkeit und "Raum für Vielfalt". Stattdessen ist das christliche Kulturerbe auf der Liste gelandet.

Kritik: "Danmarkskanon" als "nationale Aufrüstung"

"Wir sind eine kleine, sehr homogene Gesellschaft, die weder unter dem Druck von Globalisierung noch von Einwanderung steht", kritisiert der dänische Schriftsteller Knud Romer. "Der "Danmarkskanon" hat den Charakter einer nationalen Aufrüstung, für die kein Bedarf besteht." Andere sehen das wohl anders. Etwa die Stadt Randers, die Schweinefleisch-Pflicht auf dem Speiseplan von Kitas anordnete, um die "dänische Esskultur" zu retten. Oder Integrationsministerin Inger Støjberg, die für ihre harte Haltung gegen Ausländer bekannt ist.

Autorin Anne Lise Marstrand-Jørgensen nennt es "peinlichen Provinzialismus", dass der "Danmarkskanon" Werte wie Gleichberechtigung als besonders dänisch herausstellt: "Das Bestreben, diese universellen Dinge als etwas besonders Dänisches darzustellen, klingt hohl in einer Zeit, in der unsere Integrationsministerin stolz darauf ist, Gesetze zu verabschieden, die "an den Rand der Konventionen" gehen, und in der Dänemark mit vielen Fällen vor dem Gerichtshof für Menschenrechte steht."

Grundlage für Diskussionen

Initiator Haarder hofft dagegen, dass der Kanon nicht nur als Unterrichtsmaterial für Lehrer, sondern auch als Inspiration für den nächsten Einbürgerungstest dienen kann. Historiker Møller sieht ihn als "Momentaufnahme dessen, wie Dänen sich 2016 verstehen" und als Grundlage für Diskussionen. Das ist der Wertekanon am Montag auf jeden Fall - auch in den sozialen Medien. "Freiheit, Gleichheit, Hygge. Fehlt etwas Schwung, oder?", meint eine Nutzerin auf Twitter.

Dem konnte der öffentliche Sender DR am Montag Abhilfe leisten. Er hatte die Dänen parallel über einen eigenen "Danmarkskanon" abstimmen lassen. Die nicht ganz ernst gemeinte Liste liest sich etwas bunter: Würstchenwagen, Lego, das Königshaus - und natürlich der Finalsieg bei der Fußball-EM 1992 gegen Deutschland - sind darauf vertreten.

(APA/dpa)

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