Die 47-jährige Berlinerin Iris Ahlmann hat den Anschlag am Breitscheidplatz erlebt. Erst nach ein paar Schrecksekunden vernahm sie überall Schreie. „Ich war wie gelähmt, ich wollte nur noch weg.“
Wien/Berlin. Drei Tage nach dem Attentat an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ringt Iris Ahlmann darum, nach und nach ihre Normalität und ihre Routine zurückzugewinnen. Mit jedem Tag fühlt die 47-jährige Mutter dreier Kinder aus dem Berliner Stadtteil Spandau, dass ihr das besser gelingt. In Gesprächen mit Familie und Freunden hat sie versucht, sich ihr Trauma als Augenzeugin und Überlebende des Anschlags am Weihnachtsmarkt von der Seele zu reden.
Heute, wenn der Markt am Breitscheidplatz wieder öffnet, hat sie sich fest vorgenommen, noch einmal dorthin zu gehen – als „Zeichen der Anteilnahme und der Dankbarkeit“, wie sie im Telefonat mit der „Presse“ sagt. Sie tut es auch für ihr eigenes Seelenheil – um den Horror zu verarbeiten. „Ich brauche das, um zu einem Abschluss zu kommen.“
Mit vier Freundinnen und Kolleginnen trank die Finanzbeamtin am Montagabend einen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, und von ihrer leicht erhöhten Warte auf den Stufen des Platzes erlebte sie, wie sich das Drama entfaltete. „Es nahm sich aus wie ein aufbrausender Sturm. Plötzlich flogen Hütten durch die Luft und brachen zusammen. Dann war es kurz ganz leise, die große Stille ist mir prägnant in Erinnerung geblieben.“
Das „schwarze Riesengeschoß“
Sie sah, wie ein „schwarzes Riesengeschoß“, das Führerhaus des Sattelschleppers im Dunkel und die Scheinwerfer ausgeschaltet, sich um 20 Uhr eine „Gasse“ bahnte – nicht in rasendem Tempo, sondern mit mittlerer Geschwindigkeit. „Es ging alles wahnsinnig schnell. Kein Mensch sprang zur Seite“, erzählt Iris Ahlmann. „Ich hatte Glück.“ Für sie selbst bestand keine Todesgefahr, weil der LKW – vielleicht 15 Meter von ihr entfernt – nach links auf die Straße ausscherte.
„Dann hörte ich überall Schreie. Ich hatte Angst, war wie gelähmt, wollte nur noch weg. Eine Bekannte nahm mich in die Arme. Sie sagte gleich: ,Das ist wie Nizza.' Uns war alles klar: Das ist kein Unfall, das ist ein Anschlag.“ Als sie kurz darauf mit ihrer Mutter telefonierte, sei sie in Tränen ausgebrochen. „Ich stand unter Schock. Zu meinem Entsetzen und aus Selbstschutz bin ich nicht zurück, um zu helfen. Doch da hörte ich schon Sirenen. Polizei und Rettung waren unglaublich schnell da.“
Am Dienstag sei sie zwar zur Arbeit erschienen, doch frühzeitig nach Hause zurückgekehrt. „Es ging mir sehr schlecht. Der schwarze Sattelschlepper ist in meinem Kopf.“ Ihr ist bewusst, dass wohl etwas von dem Schrecken zurückbleiben wird. Doch sie weiß, dass sie sich nicht in der Wohnung verkriechen könne. „Ich bin nicht in eine Starre verfallen, sondern gleich am nächsten Tag wieder mit Bus und U-Bahn gefahren. Aber noch habe ich ein mulmiges Gefühl.“
Die Berliner, so ihr Eindruck, seien derweil dabei, sich ihr Leben nicht verdrießen zu lassen. Iris Ahlmann ist indessen wichtig, dass Flüchtlinge nicht unter Generalverdacht geraten, aber „schwarze Schafe“ durch eine rigorosere Kontrolle aussortiert werden.