"Parallelen zur Zwischenkriegszeit": Life Ball feiert die Demokratie

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Unter dem Motto "Recognize the Danger" warnt der Life Ball nicht nur vor Aids, sondern auch vor antidemokratischen Tendenzen.

Das Wien-Museum, in dem gerade die Ausstellung zum Thema „Sex in Wien“ auf Rekordkurs segelt, war ein passender Rahmen: Anders als in den vergangenen Jahren, in denen das kreative Motto des Life Ball nur schriftlich verkündet worden war, hatten die Organisatoren zu einer Party ins Atrium des Museums geladen – einer Party mit ernstem Tenor.

„Recognize the danger“ ist das Motto des kommenden Balls, und das bezieht sich einerseits natürlich auf die Krankheit, der der Life Ball seit jeher den Kampf angesagt hat – und deren Gefahren vor allem jüngere Generationen nicht mehr wirklich ernst nehmen. Gefahr orten die Organisatoren des Life Ball aber auch politisch. „The Last Dance?“ fragte das große Sujet auf der Bühne. In Szene gesetzt war auf dem Foto von Inge Prader und Markus Morianz eine bunte, tanzende Zwischenkriegsgesellschaft vor dem schwarz-weißen Hintergrund dräuender Nazi-Herrschaft – eine Gegenüberstellung, die sich durchzieht.

Jedes einzelne der Sujets stellt eine ähnliche Frage in den Raum. Etwa „Who's to judge?“ („Wer entscheidet“?) – dazu eine Nachstellung von Otto Dix' Gemälde „Todsünden“ vor einem Schwarz-Weiß-Foto des Justizpalasts. Überhaupt bilden Bilder wie jene des deutschen Malers Otto Dix, der etwa mit seinem Triptychon „Großstadt“ durchaus selbstkritisch die damalige Großstadtbourgeoisie und das Aufeinanderprallen verschiedener Lebenswelten porträtierte, das Leitmotiv. Dix' Arbeiten wurden 1934 von den Nazis verboten, seine Werke aus den Galerien entfernt und verbrannt.

Oliver Rathkolb als Berater

Die Zwanziger- und Dreißigerjahre seien eine „ganz explosive Zeit unterschiedlicher Gesellschaftsauffassungen“ gewesen, so Keszler. „Eine Zeit, wo es unfassbar viel Kreativität in der Mode, in der Kunst, in der Literatur gab.“ Gleichzeitig seien die Menschen durch populistische Kräfte fehlgeleitet worden. Entwicklungen, zu denen man heute Parallelen erkennen könne.

„Die Parallelen sind, dass man nach dem Ersten Weltkrieg geglaubt hat, Demokratie ist das selbstverständliche Modell“, sagt dazu Historiker Oliver Rathkolb, den Keszler sich als zeitgeschichtlichen „Sparring Partner“ an Bord geholt hat, im Gespräch mit der „Presse“. „Gleichzeitig ist aber die parlamentarische Demokratie ein sehr fragiles System, das in Zeiten sozioökonomischer Krisen extrem gefährdet ist, wenn es nicht tief sitzende demokratische Einstellungen in der Gesellschaft gibt, und man auch so etwas wie eine „wehrhafte Demokratie“ entwickelt. Und das ist nicht nur eine Elitenangelegenheit, sondern muss im öffentlichen Raum verhandelt werden. Das ist genau das Thema, das der Life Ball auch anspricht.“

Der neue, nicht nur gesellschaftspolitische Anspruch äußerte sich auch in den Gästen. Links von Keszler saß Nationalratspräsidentin Doris Bures, die betonte, dass Demokratie und Menschenrechte „täglich verteidigt werden müssen“. Zu seiner Rechten Eveline Steinberger-Kern, die als Frau des Bundeskanzlers auch im neuen Advisory Board sitzt, das dem Life Ball zur Seite steht. Sunnyi Melles gab im roten Latexkleid die deutsche Tänzerin und Schauspielerin Anita Berger, die als erste Frau einen Smoking getragen und in jeder Hinsicht Grenzen gesprengt hatte. Burgschauspielerin Maria Happel las einen Text Stefan Zweigs aus dem Exil, Lotte Tobisch forderte „Augenhöhe und Akzeptanz statt Toleranz“, und Conchita sprach die Gefahr einer Gesellschaft an, die in zwei Lager, gut und böse geteilt sei – wobei sich jeder auf der guten Seite wähne. „Das Problem ist, da kennt sich keiner mehr aus. Mein Vorsatz ist, den Dialog zu starten und gerade mit denen zu reden, die all das hier verteufeln würden.“

Die stilistische Empfehlung für den Ball am 10. Mai lautet übrigens bunt statt schwarz-weiß, extravaganter Kopfschmuck sowie glamouröses Hairstyling und Make-up seien gern gesehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2017)

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