Die Quartiere sind voll, einzelne Obdachlose wurden vertröstet. Nun stehen erste neue Plätze bereit.
Wien. Es ist der Beginn einer der kältesten Nächte dieses Winters, minus sechs Grad zeigt das Handy, und es wird es noch kälter. „Bitte, kann ich zu Ihnen mitkommen? Haben Sie einen Schlafplatz?“, fragt ein junger Mann, unauffällig-gepflegtes Äußeres, akzentfreies Wienerisch, offenbar sehbehindert, in einer Gasse im dritten Bezirk. Die Notschlafstellen seien voll, sagt er, man habe ihn weggeschickt. Im P7, der Caritas-Stelle, die in Kooperation mit dem Fonds Soziales Wien (FSW) die Notschlafplätze koordiniert, habe man ihn vertröstet: Ab ein Uhr früh könne man ihm wohl ein warmes Bett anbieten. Später an diesem Abend sitzen auch auf der Mariahilfer Straße Obdachlose draußen und trinken gegen die Kälte. Ob sie einen Schlafplatz haben? Ja, sagt einer, später gehe er in die Notschlafstelle. Noch seien ihm da zu viele Menschen.
Die Lage für Wiens Obdachlose spitzt sich zu. Die Notquartiere sind voll. Müssen mittlerweile Leute weggeschickt werden? Nein, heißt es. Auch in der Nacht auf Mittwoch habe jeder einen Platz gefunden – wenn auch manchmal erst spät. Dass jemand weggeschickt wird und erst nach Mitternacht einen Schlafplatz bekommt, erklärt Martin Gantner von der Caritas damit, dass das P7 tagsüber Plätze zuweist, erfahrungsgemäß aber nicht alle Klienten auch in den Quartieren auftauchen. In diesen Betten können dann jene, die zuvor vertröstet werden mussten, schlafen. Die Situation sei angespannt, aber am Ende waren in der Nacht auf Mittwoch fünf Betten der Caritas frei.
Arbeit auf Hochdruck
In der Nacht darauf standen nun 40 zusätzliche Betten in Wien bereit, je 20 wurden im Haus Hermes des Roten Kreuzes und im Quartier des Samariterbundes in der Gudrunstraße aufgestellt. Im FSW spricht man von einer „logistischen Meisterleistung“. Tag und Nacht arbeite man mit Hochdruck an neuen Plätzen.
Der Bedarf ist heuer größer als erwartet. In den nächsten Tagen und Wochen sollen mindestens noch 100 Plätze entstehen. Im Herbst wurden die 300 ganzjährigen Notschlafplätze im Rahmen des FSW-Winterpaketes auf 1000 aufgestockt – ein neuer Rekord, und doch nicht genug. (cim)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2017)