Syrien-Konferenz: Holpriger Anlauf zu Pax Russica

Zum Auftakt der Syrien-Konferenz versammelten sich alle an einem runden Tisch. Doch danach gab es Pendeldiplomatie.
Zum Auftakt der Syrien-Konferenz versammelten sich alle an einem runden Tisch. Doch danach gab es Pendeldiplomatie.(c) APA/AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV
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Syriens Rebellen und das Regime saßen kurz am selben Tisch. Immerhin. Der Start des Treffens in Astana zeigte aber auch, wie unversöhnlich sich die Lager gegenüberstehen.

Kairo/Astana. In frostiger Atmosphäre und mit scharfen Wortgefechten hat am Montag die zweitägige Syrien-Konferenz in der kasachischen Hauptstadt, Astana, begonnen, bei der Russland, die Türkei und der Iran Regie führten. Der Chef der zehnköpfigen Regimedelegation, Syriens UN-Botschafter Bashar al-Jaafari, kanzelte die Rede von Rebellenführer Mohammed Alloush als „provokant“ und „unprofessionell“ ab. Er machte erneut deutlich, dass er die Aufständischen allesamt für Terroristen hält, mit denen man eigentlich keine Gespräche führen sollte.

Alloush wiederum warf der syrischen Armee und der Hisbollah vor, die Feuerpause immer wieder zu brechen, und nannte Assads Herrschaft einen Terrorstaat. „Wir wollen Frieden, sind aber auch bereit weiterzukämpfen“, erklärte er.

Denn man kämpfe für die eigenen Rechte – „das Recht auf Leben, das Recht auf Freiheit, das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht des Volkes, seine Führung selbst zu bestimmen.“ In Astana gehe es seiner Seite vor allem darum, den Waffenstillstand zu festigen, die Gefangenen freizubekommen und die Lieferung von Hilfsgütern in die vom Regime belagerten Hungerenklaven zu gewährleisten. Sein Sprecher, Yahya al-Aridi, legte nach: „Wenn das syrische Regime unsere Anwesenheit in Astana als Kapitulation auffasst, dann hat es sich getäuscht.“

Gemeinsam am runden Tisch

Zum Auftakt hat Kasachstans Präsident, Nursultan Nasarbajew, in einer von seinem Außenminister verlesenen Ansprache betont, der syrische Konflikt könne nur durch Verhandlungen gelöst werden. „Die momentane Situation in Syrien beschäftigt die gesamte Welt“, sagte er. Das Blutvergießen, das nun seit fast sechs Jahren andauere, habe „nichts gebracht außer Elend und Leid für das heilige Land, in dem verschiedene Zivilisationen und Kulturen zusammenlebten“. Während der Rede saßen sich die Vertreter des Regimes und der Rebellen im Festsaal des Rixos-President-Luxushotels erstmals an einem großen Rundtisch gegenüber. Anschließend jedoch weigerten sich die Aufständischen, mit den Diplomaten aus Damaskus von Angesicht zu Angesicht zu sprechen.

Bei den Friedensgesprächen in Genf dagegen saßen beide Seiten stets in getrennten Räumen und verhandelten über Vermittler miteinander. Der Chef der russischen Delegation, Wladimir Putins Sonderbeauftragter für Syrien, Alexander Lawrentiew, beschwor die beiden Kriegsparteien, sich nicht auf die Differenzen, sondern auf die „Themen von gemeinsamem Interesse“ zu konzentrieren.

Türkei findet sich mit Assad ab

Neben den Aufständischen und dem Regime sind in Astana auch Russland, der Iran und die Türkei als Sponsoren der Konferenz mit eigenen Delegationen vertreten. Der Türkei fällt dabei eine Schlüsselrolle zu, weil sie bisher das Lager der Rebellen stützte. Doch in Ankara vollzog sich in den vergangenen Monaten vor allem nach dem Fall von Aleppo ein Gesinnungswandel. „Wir müssen pragmatisch und realistisch sein“, erklärte der türkische Vizepremier, Mehmet Şimşek, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. „Die Lage vor Ort hat sich so dramatisch verändert, dass die Türkei nicht länger auf eine Lösung ohne Assad pochen kann.“

Priorität sei nun, das menschliche Leiden zu beenden. Bereits zuvor im Kampf um Aleppo hat die Türkei eine eher undurchsichtige Rolle gespielt. Kurz vor der Umzingelung der Stadt durch die Assad-Armee sind auffallend viele Kämpfer zum Waffentraining in die Türkei zitiert worden. Inzwischen sind diese Rebellenkontingente als türkische Hilfstruppen im Kampf gegen den Islamischen Staat im Einsatz.

Den anderen regionalen Assad-Gegnern, allen voran Saudiarabien und Katar, dürfte dieser türkische Schwenk wenig gefallen. Beide Golfstaaten sind nicht nach Astana eingeladen. Riads Außenminister, Adel al-Jubeir, jedoch gab sich unbeeindruckt. Man denke nicht daran, „die moderate Opposition ihrem Schicksal zu überlassen“, erklärte er.

USA verzichten auf Abordnung

Auch Frankreich, England und die USA halten Distanz und lassen sich nur von ihren Botschaftern in Kasachstan vertreten. Die neue Trump-Administration war zwar eingeladen, verzichtete aber auf eine eigene Abordnung.

Vonseiten der Vereinten Nationen reiste Syrien-Vermittler Staffan de Mistura an. Der UN-Diplomat hofft, den seit April 2016 unterbrochenen Genfer Friedensprozess wiederbeleben zu können, und gab sich vorsichtig optimistisch. „Die Gespräche in Astana könnten das Ende der Kämpfe besiegeln – und das ist genau das, worauf die syrische Bevölkerung wartet“, sagte er.

AUF EINEN BLICK

Das Hotel Rixos President in Kasachstans Hauptstadt Astana ist seit Montag Austragungsort einer zweitägigen Syrienkonferenz. Alleine für die Opposition nehmen Vertreter von 14 bewaffneten Rebellengruppen teil. Initiiert hatten das Treffen Russland, der Iran und die Türkei. Formelle Friedensgespräche sind im Februar in Genf geplant, dann wieder unter UN-Schirmherrschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2017)

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