Bernie Ecclestone ist Geschichte, die Nachfolge rund um Ross Brawn geregelt. Die neuen F1-Eigentümer verlangen eine Imagekorrektur.
London/Wien. Bernie Ecclestone ist nicht mehr Chefvermarkter der Formel 1. Der Brite, 86, wurde Montagabend vom neuen Besitzer der Königsklasse, dem US-Konzern Liberty Media, über sein Aus informiert. Chase Carey, sein Nachfolger, soll dem seit über 40 Jahren in dieser Branche als Mastermind, Diktator und Zirkusdirektor auftretenden Briten am Telefon „gedankt und dann die Tür geöffnet haben“, sagte Ecclestone trocken. „Ich bin jetzt einfach weg.“
Der Brite, 1930 in Ipswich geboren, einst Gebrauchtwagenhändler, 1958 schlechter Rennfahrer und ab den 1970er-Jahren als unnachgiebiger, durchtriebener Manager („Ich war der Mann mit dem Geldkoffer“) die unantastbare Nummer 1 des Motorsports, verließ seine Bühne ohne großes Aufsehen. Wie ein Entertainer, für den der finale Vorhang gefallen ist und der auch akzeptiert hat, dass es kein Zurück mehr gibt.
Geld, Macht und Egoismus
„Ehrenpräsident“ dürfe er bleiben, „Rat und Know-how“ seien gefragt, teilte Carey am Dienstag mit; doch diese Worte klangen wie purer Hohn. Ecclestone rauszuschmeißen und darauf zu hoffen, dass das Alphatier dieser Branche als Aufputz trotzdem an Bord bleibe, ist obskur. Er wird gewiss weiterhin GP besuchen, im Paddock Club sitzen – und Geschäfte machen. Dass er sein Lebenswerk allein lässt, ist ausgeschlossen.
Ecclestone spricht leise, wer höflich nachfragt, hat verloren. Sein Handschlag ist weich und erweckt dennoch das Verlangen, sofort alle Finger zu zählen. Der Brite hasst nichts mehr als Zeitverschwendung, der Sohn einer Arbeiterfamilie lehnt Ja-Sager ab, vor allem dann, wenn er sie als Trittbrettfahrer enttarnt hat. Nur für die Großen, Mächtigen und Super-Reichen blieb er bis zum GP-Ende; in Abu Dhabi, Bahrain, Sotschi – und Spielberg (9. Juli).
Social Media statt Diktatur
Die Formel 1, gibt ihr Eigentümer vor, müsse neue Wege beschreiten. Sie soll online aktiv, Social-Media-tauglich werden. Und, es bedürfe einer Imagekorrektur; das Internet ist der Geschäftszweig, mit Rennen in Europa, USA, Südamerika – und nicht mehr im Hinterhof eines Diktators, weil er 75 Millionen Euro Mitgliedsbeitrag überwiesen hat.
Es gehe um Auftritt, Image, Carey sprach sogar von Wettbewerb. Ob es dennoch sinnvoll war, „Mr. E.“ abzuschießen anstatt alle in der F 1 engagierten Automobilhersteller auf eine Motorlinie einzuschwören, bleibt offen. Ohne breite Reifen, Sound und allem voran, realen Überholmanövern anstatt vom Computer generierten Boxenstoppsiegern, wird sich nichts ändern am Verfall der Königsklasse.
Die Talfahrt nur Ecclestone anzuheften, der „jedes Produkt um den maximalen Preis“ verkaufen kann, wäre falsch. Warum der Mann mit der Nickelbrille nicht entschieden gegengesteuert hat? Er legte Wert auf Vermehrung von Geld, Vergrößerung von Macht. Wenn es sein musste, sogar zulasten der F 1. Also redete er zuletzt sein Produkt nur noch schlecht, weil ihm Hybrid-Regeln nicht in den Kram passten.
F1-DNA? Acht Milliarden Dollar
Dass die Rennserie trotzdem für acht Milliarden Dollar, die Hälfte wurde zur Schuldentilgung aufgewendet, an Liberty Media – Inhaber ist John Malone, Privatvermögen laut „Forbes“ von 7,2 Milliarden Dollar –, verkauft worden ist, dokumentiert deren wahren Wert.
Ecclestones Job wurde aufgesplittet. Ross Brawn, an 19 WM-Titeln beteiligt, betreut die sportlichen Agenden. Der Amerikaner Sean Bratches (EX-ESPN) führt die kommerzielle Regie, Saisonstart ist am 26. März in Melbourne.
In der Szene sieht man den Führungswechsel gelassen. Neuer Wind, Ideen, digitaler Raum – geht es nach Toto Wolff, hatte Liberty Media längst einen „fixfertigen Zukunftsplan“, sagt er der „Presse“. „Was ist die DNA der Formel 1, was will sie, wohin wollen wir? Es ist ein globaler Sport, wir müssen Inhalte bieten. Wir machen Sport, sollen aber auch unterhalten.“
Entertainment, dafür wird jeder Schauspieler – Emotion hin, Milliarden her – irgendwann ausgetauscht. In diesem Punkt wird dann sogar die unpersönliche Königsklasse prompt begreifbar. Für Gebrauchtwagenhändler, seien sie noch sie gewieft, gibt es im Internet eben keinen Spielraum mehr.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2017)