20 Jahre Off-Gruppe Toxic Dreams: Gründer Wanunu will eine Bühne

„Ich danke Gott, dass ich nach Wien gekommen bin“, sagt Regisseur Yosi Wanunu.
„Ich danke Gott, dass ich nach Wien gekommen bin“, sagt Regisseur Yosi Wanunu.(c) Teresa Zötl
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Er verbreitete „süße Lügen“ und erzählte „die Geschichte der Welt in sieben Tagen“. Yosi Wanunu träumt kundig und spaßig von Kulturgeschichte.

Yosi Wanunu lächelt entspannt. Das war bei dem 53-jährigen Künstler nicht immer der Fall. Geboren in eine tiefreligiöse Familie marokkanischer Juden, in Israel als Sohn eines Heeresangehörigen aufgewachsen, flüchtete er früh nach New York. Vor 20 Jahren hat er sich in Wien niedergelassen. 2018 feiert seine Off-Gruppe Toxic Dreams (Giftige Träume) Geburtstag. Mit Lebensgefährtin und Produzentin Cornelia Kilga hat Wanunu einen 16-jährigen Sohn, Jonas, der auf die Popper-Schule geht.

Dieses Interview wird in Englisch geführt, obwohl Wanunu Deutsch spricht, seit Jahren wartet er auf die Staatsbürgerschaft, er versucht, nicht ungeduldig zu sein und verströmt Optimismus: „Wir haben eine Vierjahressubvention, die hoffentlich demnächst verlängert wird. Seit ich in Wien bin, ist es hier viel schöner geworden, Menschen kommen von überallher und sind sehr offen. Es ist ein guter Ort, um ein Kind aufzuziehen. Mein Sohn geht gern in die Popper-Schule. Er will Physiker werden.“

King Kong, Morton Feldman

Toxic-Dreams-Produktionen präsentieren oft Bildungsinhalte, ernst, aber auch comichaft und mit Ironie. Wanunu erzählte von King Kong, Kennedy oder Investor Warren Buffett. Seine multimedialen Kreationen – Clips davon sind auch auf der Homepage der Gruppe zu sehen – tragen witzige Namen wie „The Mechanical Paradise“ über den Filmpionier Georges Méliès, „Hamlets Headache“, ein Tauchgang in die Prinzenseele, oder „Dry Psycho“, Zuschauer stellten ohne Wasser die berühmte Duscheszene aus Hitchcocks Thriller nach. In „Sweet Lies“, süße Lügen, machten sich Toxic Dreams über die Medien lustig, und in „The History of the World in Seven Days“ wurde erforscht, wie sich der Mensch von einer Randfigur zum Herrscher der Welt entwickeln konnte.

Zuletzt widmeten sich Toxic Dreams neuem Alten. Ab Donnerstag (2. 2.) geht es im Tanzquartier Wien um den Komponisten Morton Feldman (1926–1987), meditativ in seiner Musik, streitbar in seinen Lectures. Auf den Ankündigungsfotos fletscht ein Mann seine Zähne, die aus Klaviertasten bestehen, oder er versucht, schwebend auf einem Konzertflügel, die Tasten zu erreichen. Die visuelle Darstellung der Aufführungen ist ein wichtiges Element von Toxic Dreams, obwohl Wanunu die Dominanz des Optischen skeptisch betrachtet. Vom Haus der Geschichte etwa wünscht er sich mehr als nur passiv zu betrachtendes audiovisuelles Material: „Die Besucher müssen selbst aktiv werden!“

Roadshow zum Jubiläum

Die Sprache werde heutzutage unterschätzt, findet Wanunu. Darum auch die Feldman-Performance: „Feldman war nicht politisch korrekt. Er attackierte, er sagte, was er dachte. Wir haben uns abgewöhnt zu sagen: ,Ich liebe das, und ich hasse das.‘“ Aber sollte man nicht zurückhaltend sein, in einer Welt voll Hass? Wanunu: „Ich meine, dass wir wieder mehr darüber streiten sollten, was Kunst bewirken kann. Die Kunst hat Macht verloren. Alle wollen cool sein und kooperieren. Wir sind fett, bürokratisiert und Mainstream geworden. Feldman erinnert uns daran, dass Kunst provozieren muss.“

Welche Träume hat Wanunu? „Kunst wird zu stark von Kuratoren bestimmt. Ich möchte, dass sie wieder mehr von Künstlern dominiert ist. Wir wollen ein eigenes Theater. Nach 20 Jahren wissen wir, wie es geht. Und wir werden vor allem etwas für die 30- bis 40-Jährigen machen. Für die ganz Jungen gibt es viele Angebote. Aber sie hören mit der Zeit auf, ins Theater zu gehen, weil es für Ältere keine experimentellen Orte gibt. Natürlich würden in unserem Theater nicht nur wir spielen, sondern wir würden andere Shows einladen.“

Partizipation ist wichtig für die Kunst. Zum Geburtstag 2018 nehmen Toxic Dreams den 13-stündigen „Circus of Life“ über das Phänomen Weltausstellung wieder auf – als Roadshow: Zuschauer reisen mit dem Bus durch Österreich, dann gibt es ein großes Abschlussevent in Wien. „Ich danke Gott, dass ich hierhergekommen bin“, sagt Wanunu schmunzelnd.

Zur Person

Yosi Wanunu. Der 53-jährige Künstler aus Israel, Gründer der Off-Gruppe Toxic Dreams, studierte Kunstgeschichte, Theater, Film in Europa und den USA. Seit 20 Jahren lebt er in Wien; mit Lebensgefährtin Kornelia Kilga, Produzentin der Gruppe, hat er einen 16-jährigen Sohn. Toxic Dreams beschäftigen sich multimedial mit Politik, Populärkultur. Auch das Publikum macht mit. Im Juni gibt es im Brut eine neue Version von „It's Always Sunny in Vienna“ (Zeitgeschichte in einem Wohnhaus). Demnächst: „Morton Feldman Says“ im Tanzquartier Wien (2., 3., 4. 2.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2017)

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