Vier Milliarden Euro werden die Maßnahmen kosten, auf die sich die Regierung geeinigt hat. Die Finanzierung ist unsicher und wirbelt den Finanzrahmen durcheinander.
Wien. Man kennt es aus eigener Erfahrung: Neujahrsvorsätze haben über den Jänner hinaus selten Bestand. Nicht anders ergeht es Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der sich noch am 16. Jänner in einer großen Rede vorgenommen hat, bis zum Jahr 2020 insgesamt 3,8 Milliarden Euro einzusparen. Daraus wird jetzt nichts mehr. Denn der Koalitionspakt 2.0, der gestern unter dem Namen „Für Österreich“ von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) präsentiert wurde, wirbelt die Budgetplanungen des Finanzministers für die kommenden Jahre ordentlich durcheinander. Das Programm, das die Regierung auf 35 Seiten zusammengefasst hat, kostet etwa vier Milliarden Euro.

Damit ist der aktuelle Finanzrahmen Makulatur. Die Einsparungen bis 2020 in Höhe von fünf Prozent der Ausgaben des Bundes hat Schelling nämlich nicht aus Spaß am Sparen vorgegeben, sondern, weil es ihm unter anderem das Gesetz vorschreibe, wie er bei einem Hintergrundgespräch jüngst vor Journalisten erklärt hat. In Österreich gilt, auch wenn das weitgehend untergegangen ist, seit heuer eine Schuldenbremse. Das strukturelle Defizit des Bundes (die Länder und Gemeinden sind nicht eingerechnet) darf demnach höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Dafür sind über die Jahre massive Einsparungen notwendig – Steuererhöhungen zur Finanzierung schließt die ÖVP aus.
Versprechen an Österreich
Nun kommt eine Zusatzbelastung in Höhe von vier Milliarden Euro durch den neuen Koalitionspakt. Wie die Maßnahmen für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Forschung, Bildung, Sicherheit, Integration und Migration finanziert werden sollen? Laut Plan der Regierung kämen 2,8 Milliarden Euro aus Einsparungen, Minderausgaben und Umschichtungen. 1,2 Milliarden Euro erhofft sich die Koalition durch Konjunktur- und Beschäftigungseffekte. Noch ohne Details werden „kostendämpfende Maßnahmen“ wie Verwaltungs- und Fördereffizienz, E-Government oder Einsparungen bei ausgegliederten Einheiten und Sachkosten angekündigt.
Wie verträgt sich das mit den Vorgaben Schellings von vor zwei Wochen? Heißt das also, dass bis 2020 bzw. 2021 gesamt 6,6 Milliarden Euro eingespart werden müssen? Im Finanzministerium bezeichnet man diese Summe als „völlig unrealistisch“. Wie die Rechnung aber tatsächlich im Detail aussieht, wollte man gestern noch nicht sagen. Bundeskanzler Kern erklärte bei einer Pressekonferenz, dass die Finanzierung der Maßnahmen kein Problem sei.
Für die Regierung ist der neue Pakt ein Versprechen an das Land. Angefangen von einem Mindestlohn von 1500 Euro über ein umfassendes Sicherheitspaket inklusive Verbot der Vollverschleierung bis hin zu einer 30-Prozent-Frauenquote in Aufsichtsräten von börsenotierten Unternehmen. „Wir werden den Österreicherinnen und Österreichern in den kommenden 18 Monaten beweisen, dass wir diese Projekte geschlossen und gemeinsam abarbeiten“, heißt es sprachlich etwas holprig in der Präambel, die mit dem Aufruf endet: „Messen Sie uns an dieser Arbeit!“ Bis zuletzt war freilich unklar, ob alle Mitglieder der Regierung, wie von Kern gefordert, den Pakt und die Präambel unterschreiben werden.
Abstimmung im Parlament
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte am Wochenende in mehreren Interviews erklärt, er werde nur die ihn betreffenden Maßnahmen mittragen. Der Bundeskanzler könne sich nicht aussuchen, wer von der Volkspartei etwas unterschreibe. Kern habe keine Richtlinienkompetenz. Und Wolfgang Sobotka wörtlich in Richtung des Bundeskanzlers: „Er soll endlich aufhören mit diesen Inszenierungen und damit, ständig einen Popanz aufzubauen.“
Am gestrigen Montag war davon keine Rede mehr. Nachdem der ÖVP-Vorstand das Papier einstimmig verabschiedet hatte, unterschrieben auch die Minister. Sobotka begründete seinen Meinungswechsel damit, dass das Paket „die Handschrift der ÖVP“ trage. Gleichzeitig verlangte der Innenminister allerdings, dass nun auch die Koalitionsabgeordneten im Nationalrat dem Paket in namentlicher Abstimmung öffentlich zustimmen.
Tatsächlich ist für die heutige Plenarsitzung geplant, über einen – freilich unverbindlichen – Entschließungsantrag abstimmen zu lassen, der das ganze Programm enthält. Spannend wird dabei vor allem, wie die SPÖ-Mandatare reagieren. Denn für einige gibt es durchaus bittere Pillen zu schlucken: etwa die Verschärfungen im Fremdenrecht und der Ausbau von Überwachungsmaßnahmen.
AUF EINEN BLICK
Die Koalition kann ihre Arbeit fortsetzen. SPÖ und ÖVP haben nach langwierigen Verhandlungen am Montag ein neues Regierungsprogramm für die verbliebene Legislaturperiode präsentiert. Die Parteigremien haben das Paket abgesegnet, auch alle Minister – inklusive Innenminister Sobotka – haben unterschrieben. Heute, Dienstag, debattiert der Nationalrat das Vorhaben. „Für Österreich“ nennt sich das 35 Seiten lange Papier, das Maßnahmen im Umfang von vier Milliarden Euro vorsieht. Es ist quasi eine Ergänzung zum noch von Werner Faymann (SPÖ) und Michael Spindelegger (ÖVP) ausverhandelten Regierungsprogramm. Wie die Vorhaben konkret finanziert werden sollen, wurde gestern noch nicht erklärt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2017)