Erdoğans Aufstieg

Vom rauen Viertel über die Gefängniszelle auf die Weltbühne

(c) � Reuters Photographer / Reuter
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Er wird leidenschaftlich verehrt und genauso leidenschaftlich angefeindet. Kaum ein Politiker in der türkischen Republikgeschichte war und ist derart umstritten wie Recep Tayyip Erdoğan.

Vor Jahren, noch als Premier, nahm Recep Tayyip Erdoğan am Schülerprogramm des staatlichen Fernsehens teil und erzählte freimütig über seine ärmlichen Kindheitstage im Istanbuler Stadtteil Kasımpaşa. Den Fußball zum Spielen habe man sich aus zerknülltem Papier selbst gebastelt, so Erdoğan, und seine Schuhe seien etliche Male geflickt worden. Seinen Vater, einen Arbeiter, beschrieb der Politiker als cholerisch und diszipliniert. Erdoğan habe großen Respekt vor ihm gehabt, ihn aber auch sehr gefürchtet. So beugte sich der junge Recep Tayyip der Aufforderung seines Vaters, das professionelle Fußballspielen aufzugeben. Erdoğan war offenbar ein talentierter Kicker, selbst der Istanbuler Erstliga-Verein Fenerbahçe sei bei ihm vorstellig geworden.

Geboren 1954 in Istanbul, verbrachte Erdoğan die ersten Jahre seiner Kindheit in Rize an der Schwarzmeerküste, wo sich die Familie eine Generation zuvor aus dem georgischen Batumi angesiedelt hatte. Später, wieder in Istanbul, im rauen Viertel Kasımpaşa direkt am Goldenen Horn, schlug sich die Familie mehr schlecht als recht durch. Legendär ist die Erzählung, dass der junge Recep Tayyip zum Familieneinkommen beitrug, indem er Sesamkringel und Limonade auf der Straße verkaufte. Kasımpaşa sollte im Laufe seines Lebens immer wieder zu einem Bezugspunkt für Erdoğan werden, bei Reden und Veranstaltungen erzählt er gerne vom schwierigen Alltag im berüchtigten Zuwanderer- und Schlägerviertel. "Ich, der Mann aus dem Volk", lautet das Narrativ, und tatsächlich ist das etwas, was ihn von vielen Berufspolitikern vor ihm unterscheidet.

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