Walk of Häme

Ein Bart aus der Vorbart-Ära

Martin Schulz
Martin Schulz imago/Jens Jeske
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Ein Bart aus der Vorbart-Ära oder: Was Martin Schulz im Wahlkampf gegen Angela Merkel helfen könnte.

Zwischen Semesterurlauberschichtwechsel, ein Wort so lange, dass es alleine reichen würde, um Staus zu verursachen, und Valentinstag, für den im Radio doch glatt mit einem Frühbucherbonus für Blumen geworben wird, kennt die Welt momentan scheinbar nur ein Thema: Donald Trump und dessen Eskapaden während seiner ersten Schnupperwochen im neuen Amt. Dabei könnte gerade der Blick auf die österreichische Politik helfen, Ruhe zu bewahren. Josef Pühringer zum Beispiel, der diese Woche seinen baldigen Rücktritt als oberösterreichischer Landeshauptmann angekündigt hat, erlebt mit Trump nun schon den vierten US-Präsidenten während seiner Regierungszeit in Linz. Erwin Pröll, der 2017 ebenfalls den Hut nehmen wird, war gar schon Landeshauptmann von Niederösterreich als noch George Bush im Weißen Haus regierte. Nicht George W., sondern dessen Vater, der seinerzeit noch Vizepräsident unter Ronald Reagan war, selbstverständlich.

Und sollte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl den anlässlich des Pühringer-Abgangs wieder lauter werdenden Rufen nach einer neuen Führung im Wiener Rathaus weiter so beharrlich trotzen wie bisher, könnte er, der bisher immerhin auch schon vier US-Präsidenten ins Weiße Haus einziehen und wieder ausziehen gesehen hat, sogar Trump politisch überleben. Man muss also nur Geduld haben. Ob in Deutschland der neue SPD-Chef Martin Schulz nach dem derzeitigen Hype tatsächlich eine Chance hat, die ewige Angela Merkel im Berliner Bundeskanzleramt abzulösen, wird sich erst im September weisen. Was auffällt: Schulz ist nach langer Zeit (SPD-Spitzenkandidat Rudolf Scharping trug bei der Bundestagswahl 1994 Gesichtsbehaarung) wieder einmal ein Kandidat mit Bart.

Gut, könnte man sagen, das ist der derzeit überall dominierenden Bartmode geschuldet. Das stimmt aber in diesem Fall nicht: Schulz' Bart ist ein Bart aus der Vorbart-Ära, einer den man mit Bonner Republik, Polizisten und Jürgen von der Lippe verbindet und nicht mit Krankenkassenbrillen, Vintage und Joaquin Phoenix. Aber vielleicht hilft ja dem SPD-Kandidaten genau diese Sehnsucht nach einem Früher, als ein Bart noch und nur ein Bart war inmitten der chaotischen Weltereignisse zum Wahlsieg.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2017)

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