Vor knapp zweieinhalb Jahren fiel der Startschuss für die Reform. Heute können Schulautonomie und neue Schulverwaltung in Begutachtung geschickt werden.
Wien. Womöglich bekommt man heute, Freitag, den dritten Handschlag der Bildungsreform zu sehen. Um das Schulautonomiepaket und die neue Schulverwaltung in Begutachtung zu schicken, wartete das Bildungsressort nämlich nur noch auf das Okay der Lehrergewerkschaft – und diese sprach sich gestern für eine Begutachtung aus. Auch, wenn das nicht bedeutet, dass die Lehrer inhaltlich mit dem Schulautonomiepaket einverstanden sind, ist es ein weiterer Schritt auf dem langen Weg der Bildungsreform. Die fünf Akte eines unvollendeten Schulschauspiels.
Der Startschuss
Fast auf den Tag genau zwei Jahre und fünf Monate ist es her, dass die Regierung, damals noch unter Kanzler Werner Faymann (SPÖ), den Startschuss für zwei Reformen gab: Insgesamt 16 Köpfe sollten an Steuern und Bildung feilen. Ein gutes halbes Jahr danach drohte die Bildung zu platzen, nachdem die Landeschefs Hans Niessl (SPÖ) und Erwin Pröll (ÖVP) akkordiert ausstiegen. Offiziell, weil man keine ernsthaften Bemühungen sah. Eigentlich, weil es bei der Schulverwaltung ihrer Meinung nach zu sehr Richtung Zentralisierung ging.
Der Pseudoerfolg
Nach einer letzten durchwachten Nacht gelang es den Verhandlern um die damalige Bildungsministerin, Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) am 17. November 2015 doch noch, das Reformpapier vorzulegen. Darin enthalten: sechs inhaltliche Punkte – Änderungen bei Kindergarten und Volksschule, mehr Schulautonomie, Gesamtschulmodellregionen, eine neue Schulverwaltung und Anstöße für Bildungsinnovationen – und ein Zeitplan, der entsprechende Gesetze binnen sechs Monaten vorsah, an dessen Einhaltung bald nach der Präsentation keiner mehr glaubte.
Der Tiefpunkt
Kaum lag das Papier auf dem Tisch, wurde wieder gestritten. Dass maximal 15 Prozent der Schüler von einem Gesamtschulversuch betroffen sein sollten, war der Ministerin doch zu wenig. Es spießte sich auch bei der Schulverwaltung wieder an der leidigen Frage, ob Bund oder Länder Macht einbüßen. Und vor der Fixierung des ersten und lange Zeit einzigen beschlossenen Reformpunkts – einiger Änderungen in der Volksschule wie dem leichteren Aus für Noten –, kam der offizielle Tiefpunkt: Mahrer unterstellte Ministerin Heinisch-Hosek Leseschwierigkeiten, nachdem sie in ihrem Gesetzesentwurf ein bisschen über die Stränge geschlagen hatte.
Der Aufschwung
Im Mai änderten sich mit Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) die Besetzung und die Stimmung. Im Sommer wurden für die Ganztagsschule – kein Teil der ursprünglichen Reform – 750 Mio. Euro paktiert, im Oktober die Eckpunkte für die Schulautonomie vorgestellt, kurz darauf die Innovationsstiftung fixiert. Bei der Konkretisierung der Schulautonomie – die inzwischen an die neue Schulverwaltung geknüpft wurde – kühlte der demonstrative Optimismus allerdings wieder ab. Die Deadline wurde seit Weihnachten mehrfach verschoben. Mit dem Okay der Gewerkschaft können die beiden Pakete in Begutachtung gehen.
Das offene Ende
Auch wenn die Gewerkschaft einer Begutachtung grünes Licht gibt, ist die Debatte über das Schulautonomiepaket nicht vorbei: Inhaltlich sind die Lehrer nicht einverstanden. Man habe mit dem Ministerium ausgemacht, am Ende der Begutachtungsfrist erneut zu verhandeln, so Gewerkschafter Paul Kimberger. Außerdem sind noch andere Punkte der Bildungsreform offen: Das zweite Kindergartenjahr soll im Zuge des neuen Finanzausgleichs mit Ländern und Gemeinden ausverhandelt werden. Noch nicht konkretisiert sind auch die paktierten (aber heiklen) Gesamtschulmodellregionen. Womöglich braucht es noch einen Epilog.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2017)