Rückzug der Anklage: Mildes Urteil für Exbanker

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Nur ein Jahr Haft wegen grob fahrlässiger Tötung erhielt der Wiener Exbanker S. (45). Die Anklage war vom Mordvorwurf abgerückt.

Wien/Korneuburg. Zuletzt hörte man oft, dieser Fall könnte auch der Plot eines Krimis sein. Insofern passte es ins Bild, dass sich am Ende eine spektakuläre Wendung einstellte: Am dritten und letzten Verhandlungstag im Mordprozess gegen den früheren Vorstand einer österreichischen Privatbank, S. (45), rückte Staatsanwältin Gudrun Bischof von ihrer eigenen Mordanklage ab. Denn: „Die Beweismittel haben sich in den vergangenen beiden Tagen anders als bisher dargestellt.“ Im Resultat hieß das: Nur ein Jahr Haft für S.

Exbanker bereits freigelassen

Die bereits rechtskräftige Verurteilung erging freilich nicht wegen Mordes, sondern wegen grob fahrlässiger Tötung. Die Geschworenen (sie hatten einstimmig auf Fahrlässigkeit entschieden) und der Senat, geleitet von Richterin Anna Wiesflecker, blieben sogar im unteren Drittel der möglichen Sanktion – bis zu drei Jahre Haft wären möglich gewesen.

Mehr noch: Weil S., verteidigt von Anwalt Rudolf Mayer, bereits neun Monate in U-Haft verbracht hat, wurde er noch am Mittwoch auf freien Fuß gesetzt. Denn: Zwei Drittel der Strafe hat er damit bereits abgesessen, sodass der Senat nun auch die Voraussetzung für eine vorzeitig bedingte Entlassung erfüllt sah.

S. war vorgeworfen worden, seinen Stiefbruder J. (42) getötet zu haben. Mildernd war nun, dass S. den beiden hinterbliebenen Kindern von J. bisher etwa 100.000 Euro bezahlt hat. Das Gericht ordnete an, dass der 45-Jährige den Kindern vorläufig 900 bzw. 600 Euro pro Monat überweisen muss.

Die Justiz hatte das Verfahren wegen Befangenheit von Wien nach Korneuburg verfrachtet. Die Exfrau des Angeklagten ist nämlich Staatsanwältin in Wien. Gemäß der ursprünglichen Anklageschrift habe sie möglicherweise mit dem späteren Mordopfer, dem Stiefbruder, ein Verhältnis gehabt. Dies hätte laut früheren Vorwürfen zu einem Mord aus Eifersucht geführt. Allein: Eine solche Affäre habe sich „nicht nachweisen lassen“, wie die Anklägerin am Mittwoch im Prozessfinale vor der Beratung der Geschworenen zugestanden hatte. Staatsanwältin Bischof gab den Geschworenen auch zu bedenken, dass man für eine Mordverurteilung „von der Schuld des Angeklagten überzeugt sein“ müsse. „Wenn Sie Zweifel haben, müssen Sie ihn für die für ihn günstigere Straftat verurteilen.“ Genauso kam es dann auch.

S. hatte ja zugegeben, dass er es gewesen sei, der J. getötet habe. Dies sei nach einem Abend, an dem reichlich Bier und Wein geflossen seien, sozusagen passiert. Von Mord könne keine Rede sein.

„Schuss geht auf einmal los“

Er habe J. spätnachts einmal mehr seine beiden Faustfeuerwaffen präsentiert. Eine der beiden Waffen, eine Glock-Pistole samt angestecktem Magazin, habe er dann einige Zeit in der Hand gehalten, habe aber nicht gewusst, dass eine Patrone im Lauf gewesen sei. S.: „Auf einmal geht der Schuss los.“ Wie sich das Ganze tatsächlich abgespielt hat, wird sich wohl nicht mehr restlos rekonstruieren lassen, zumal S. angibt, sich an etliche Einzelheiten nicht mehr erinnern zu können.

Ausschlaggebend für den Schwenk der Anklage war der Umstand, dass sich das Gutachten der deutschen Expertin für Blutspurenmusteranalyse, Silke Brodbeck, am Ende als weniger eindeutig entpuppte, als es im Ermittlungsverfahren geklungen hatte.

LEXIKON

Grob fahrlässige Tötung (zur Tatzeit hieß die mittlerweile novellierte Norm noch „Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen“) ist mit bis zu drei Jahren Haft bedroht. Die Sanktion für Mord ist viel strenger: Sie bewegt sich zwischen zehn und 20 Jahren, kann auch lebenslang sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2017)

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