Wiens U-Bahn wird zur Bühne für Musiker

U-Bahn in Wien
U-Bahn in Wien(c) Clemens Fabry
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Als Teil eines Sicherheitspakets will Stadträtin Ulli Sima in einigen U-Bahnstationen Künstler auftreten lassen. In anderen Städten, allen voran London, ist Musik im U-Bahnnetz etabliert. Nur: Ist Wien dafür bereit?

Wien. In der U-Bahn lacht man nicht. Der Blick ist geradeaus, nur ja keinen Augenkontakt zulassen und geschickt jeglichen Körperkontakt vermeiden – das Lebensgefühl U-Bahn ist ein einsames, umso mehr, wenn man von besonders vielen Menschen umgeben ist. Ulli Sima will das ändern – mit Livemusik in U-Bahnstationen.

Mit dem Einwand, dass die für öffentliche Verkehrsmittel zuständige Stadträtin weniger die Bespaßung der Passagiere im Sinn hat. Sie verkauft die Maßnahme, die sie am Freitag bei der Klubtagung der SPÖ präsentierte, als Teil eines Sicherheitspakets.

Dass Musik die Sicherheit erhöhen kann, ist dabei keine ureigene Wiener Idee. So startete etwa die Münchner Verkehrsgesellschaft schon 2010 das Projekt „Musikalische U-Bahnhöfe“, bei dem Klassikwerke quasi als akustische Tranquilizer eingesetzt wurden. Die sanften Klänge im Hintergrund, so die Idee dahinter, sollten das subjektive Sicherheitsgefühl erhöhen. Strauss und Mozart aus den Lautsprechern ist aber im Wiener Konzept nicht vorgesehen – hier sollen junge Künstler eine Bühne bekommen. Sie habe es etwa in London als „sehr angenehm“ erlebt, meint Sima, „wenn auf verlassenen Bahnsteigen zumindest die Klänge einer Akustik-Gitarre zu hören sind“. Das Pilotprojekt soll im Sommer am Westbahnhof starten – wenn auch nicht auf den Bahnsteigen von U3 oder U6, sondern im Zwischengeschoß. Vielleicht hört man es ja von dort bis auf den Bahnsteig.

Aber es wäre nicht Wien, würde man aus der musikalischen Sicherheitsmaßnahme nicht auch gleich ein Event der Öffentlichkeitsarbeit machen. Denn wer spielen darf, sollen die Fahrgäste entscheiden – auf der Website der Wiener Linien werden Videos potenzieller Künstler gezeigt, über die dann abgestimmt werden kann. Aber auch eine Fachjury soll davor eine erste Auswahl vornehmen. „Die große Chance“ als U-Bahn-Event also. Doch bevor nun Heavy-Metal-Bands auf einen Moshpit im Untergrund hoffen, eine Einschränkung: Gesucht werden eher ruhigere Sounds. Wanderklampfe schlägt Stromaxt.

Doch auch „Blowin' in the wind“ und Konsorten sind nach der derzeitigen Hausordnung der Wiener Linien in Stationen und U-Bahnen nicht erlaubt. Und dass das Lärmen und Musizieren verboten ist, soll auch weiter gelten, heißt es bei den Wiener Linien. Nur für die gecasteten Künstler soll es eine Ausnahme geben. Und die Orte, an denen sie spielen dürfen, sollen auch klar definiert werden. Musiker, wie sie gelegentlich von U-Bahnwaggon zu Waggon ziehen und den Hut für Spenden aufhalten, werden also weiter aus den Stationen und Fahrzeugen gewiesen, so sie erwischt werden. Die U-Bahn-Castingstars sollen dagegen Spenden für ihre Darbietung sammeln dürfen.

Auf den Spuren von London und Berlin

Mit der Erlaubnis für Künstler, in U-Bahnstationen spielen zu dürfen, folgt Wien dem Beispiel anderer Städte, in denen das schon lange möglich ist. London gilt hier als Vorreiter – in 25 zentralen Stationen dürfen dort Musiker auftreten. Und um die Qualität zu sichern, müssen sie sich offiziell bei Transport for London bewerben. Aber auch in Berlin gehören Musiker in den Gängen mehrerer Stationen zum Stadtbild. Und hier könnte auch eines der Probleme der Idee liegen – ob die Wiener wohl die heilige Ruhe im Untergrund tatsächlich aufgeben wollen?

Aber Lebensgefühl ist ja ohnehin nicht das vordergründigste Ziel der Aktion. Und im Sicherheitspaket stecken auch einige akustisch weniger auffällige Maßnahmen. So soll die Beleuchtung der Stationen laufend auf LED umgestellt werden. In Stationen mit hoher Frequenz werden Service-Points mit Notrufsäulen aufgestellt. Und bis Anfang 2019 sollen etwa 120 speziell ausgebildete Security-Mitarbeiter im U-Bahnnetz unterwegs sein. Zusätzlich sollen 210 Service-Mitarbeiter statt in den Stationshäuschen auf den Bahnsteigen unterwegs sein – die können ja unter anderem auch dann eingreifen, wenn jemand auf dem Bahnsteig unerlaubt musiziert.

LIEDERTIPPS FÜR DIE U-BAHN

„Take the ,A‘ Train“. Die Linie A in New York hat ihre eigene Hymne. Ob wohl schon jemand auf den Spuren von Duke Ellington den Jazzstandard „Nimm die U3“ geschrieben hat?

„Der Kommissar“. Auf den ersten Blick nicht ganz klar, aber in Falcos erstem Hit kommt folgende Textzeile vor: „Die Special Places sind ihr wohlbekannt, Ich mein', sie fährt ja U-Bahn auch.“
„Vollgas“. Das Lied selbst ist weniger interessant als der Name der Band – es stammt von der Frankfurter A-cappella-Gruppe U-Bahn-Kontrollöre in tiefgefrorenen Frauenkleidern.
„Subway Song“. „Midnight in the Subway“ – so beginnt der Subway Song von The Cure. Aber ob die Textzeile „She tries hard not to run, but she feels she's not alone“ das subjektive Sicherheitsgefühl wirklich hebt?
„Schaffnerlos“. Zugegeben, mit der U-Bahn hat das Hörspiel von Ambros, Tauchen und Prokopetz aus dem Jahr 1978 nichts zu tun. Aber als Hymne in den Wiener Linien geht es schon irgendwie durch.

„A Poem on the Underground Wall“. „The last train is nearly due, the underground is closing soon.“ Ob die Wiener Linien allerdings begeistert sind, wenn, wie im Lied beschrieben, etwas mit farbiger Kreide an die Wand geschrieben wird?
„Don't sleep in the Subway“.Petula Clark gibt einen unschlagbaren Tipp – hilft unter anderem dagegen, ein paar Stationen zu spät hochzuschrecken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2017)

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