Usbekistan: Jihadistisches Rekrutierungsgebiet im Herzen Asiens

In der früheren Sowjetrepublik grassieren Armut und Korruption, das Land wird autoritär regiert, Menschenrechte genießen wenig Schutz. Ein idealer Nährboden für Radikalisierung.

Wieder ist ein Usbeke ins Visier von Terrorermittlern geraten: Die schwedische Polizei hält einen 39-Jährigen aus der zentralasiatischen Republik für den mutmaßlichen Lkw-Attentäter von Stockholm. Aus Usbekistan stammte auch Abdulkadir Mascharipow, der am Silvesterabend 39 Menschen im Istanbuler Nachtclub "Reina" erschossen haben soll. Und Russlands Behörden halten Akbarschon Dschalilow, einen ethnischen Usbeken aus Kirgistan mit russischem Pass, für den Selbstmordattentäter aus der St. Petersburger U-Bahn von vergangenem Montag.

Warum Usbekistan? In der früheren Sowjetrepublik grassieren Armut und Korruption, das Land wird autoritär regiert, Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten genießen wenig Schutz. Ein idealer Nährboden für Radikalisierung, sagen Experten: Junge Männer fühlen sich chancenlos - und sind empfänglich für die Heilsversprechen radikalislamischer Gruppierungen wie der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Unter den zentralasiatischen Republiken ist Usbekistan das wichtigste Rekrutierungsgebiet für Jihadisten, analysiert die Nichtregierungsorganisation International Crisis Group. Deren unabhängige Experten schätzen die Zahl von IS-Aktivisten aus Zentralasien auf insgesamt 2000 bis 4000.

In den 90er-Jahren kam in der mehrheitlich muslimischen Ex-Sowjetrepublik, deren Staatsform laizistisch ist, die radikale Islamische Bewegung von Usbekistan (IMU) auf. Sie trat unter anderem für die Einführung des islamischen Rechts, der Scharia, ein. Die IMU wurde für mehrere Bombenanschläge in Usbekistan verantwortlich gemacht. Nach eigener Darstellung waren IMU-Aktivisten auch an dem Terrorangriff auf den Flughafen im pakistanischen Karachi beteiligt, bei dem im Juni 2014 insgesamt 37 Menschen getötet wurden. Usbekische Sicherheitskräfte verfolgten die IMU mit großer Härte; viele ihrer Aktivisten wichen ins Nachbarland Afghanistan aus. Im Jahr 2015 schwor die IMU offiziell dem Islamischen Staat (IS) die Gefolgschaft.

(APA/AFP)

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