Ein Usbeke gilt als Hauptverdächtiger des Anschlags. Er sollte im Vorjahr abgeschoben werden. Die Toten sind inzwischen vollständig identifiziert worden.
Stockholm. Am Sonntag versammelten sich in Stockholm Tausende auf dem Sergels torg. Vor dem Kaufhaus Ahlens gedachten sie der Opfer von Schwedens erstem größeren Terroranschlag. Die Veranstaltung hatte der Stockholmer Damon Rasti, der einst als Kriegsflüchtling in das Land kam, über Facebook organisiert. Zahlreiche Redner, darunter Einwanderer, Politiker und Prominente, riefen zu Solidarität und Mut auf. Um 14.53 Uhr, dem Anschlagszeitpunkt am vergangenen Freitag, wurde eine Gedenkminute abgehalten. Danach traten Musiker auf. Am 7. April war ein Lkw in der Stockholmer Innenstadt in eine Menschenmenge und das Kaufhaus Ahlens gefahren und hatte dabei vier Menschen getötet. Die Toten sind inzwischen vollständig identifiziert worden. Es handelt sich um zwei Schweden, eine Belgierin und eine Person aus Großbritannien. Ein elfjähriges Mädchen befand sich laut der schwedischen Presse unter den Opfern. Sie kam aus der Schule und wartete vor dem Kaufhaus auf ihre Mutter.
Maskierter Mann entführte Fahrzeug
Unterdessen wurden mehr Einzelheiten über den Raub des Lastkraftwagens bekannt. Ein Lkw-Fahrer der schwedischen Bierbrauerei Spendrups war wie jeden Freitag mit dem Ausladen von Getränken für das im Zentrum gelegene Restaurant Caliente fertig. Er hatte die Ladeluke gerade geschlossen, als ein maskierter Mann in die Fahrerkabine sprang. Der Fahrer rannte vor den Wagen und versuchte ihn zu stoppen, musste aber dem lospreschenden Truck ausweichen. Wenig später raste dieser gut 500 Meter weiter über die belebte Fußgängerzone der Haupteinkaufsstraße Drottninggatan in das Kaufhaus Ahlens hinein.
Der mutmaßliche Todesfahrer wurde noch am gleichen Abend dank aufmerksamer Bürger und Fahndungsfotos von den vielen Stockholmer Überwachungskameras festgenommen. Es handelt sich um einen 39-jährigen, aus Usbekistan stammenden Mann. Die Polizei bestätigte am Sonntag, dass der Mann mit der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sympathisiere. Im Jahr 2014 hatte der mutmaßliche Täter eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt; diese wurde im Juni 2016 abgelehnt. Er wurde zwecks Abschiebung von den Behörden gesucht. Die Polizei komme Abschiebungsaufträgen wegen Überforderung kaum noch nach, räumte sie ein.
Profitieren die Rechtspopulisten?
In der Nacht zum Sonntag und am Sonntagmorgen wurden zudem sechs weitere Personen im Großraum Stockholm festgenommen. Mindestens eine dieser Personen soll laut Staatsanwaltschaft verdächtigt werden, in den Terrorakt verwickelt zu sein.
Schwedens um Toleranz bemühte Medien klammerten am Wochenende die Frage geschlossen aus, ob sich das Klima gegenüber muslimischen Einwanderern verschlechtern werde oder die ohnehin schon stimmenstarken Rechtspopulisten profitieren werden. Im Fernsehen kamen häufig Flüchtlinge zu Wort, die den Lkw-Anschlag verurteilen. „Es ist einfach nur wahnsinnig und böse“, sagte ein sichtlich betroffener junger Syrer, der zum Kaufhaus gekommen war, um der Opfer zu gedenken.
Gerade das neutrale Schweden, das sich gern als „humanitäre Supermacht“ versteht, hat sich stets besonders deutlich um gute Beziehungen zur islamischen Welt bemüht. Schweden galt als Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei, beispiellos generös hat es Flüchtlinge aufgenommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2017)