Türkei-Referendum: "Entscheidung zwischen Demokratie und Diktatur"

Der türkische Präsident Erdogan mit seiner Ehefrau.
Der türkische Präsident Erdogan mit seiner Ehefrau.APA/AFP/OZAN KOSE
  • Drucken

Die Abstimmung über ein Präsidialsystem spalte die Türkei, sagt der Journalist Dündar. Präsident Erdogan liegt nach Umfragen knapp vorne.

Das Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei ist für Can Dündar eine Entscheidung zwischen Demokratie und Diktatur. Der frühere Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" sagte dem Sender n-tv am Donnerstag, die Abstimmung am Sonntag sei "ein historischer Moment für die Türkei", das Referendum könne "das Schicksal des Landes ändern."

Der Journalist, der heute das deutsch-türkische Onlinemagazin "Özgürüz" leitet, äußerte sich besorgt über die Polarisierung der Türkei durch die geplante Verfassungsreform zur Stärkung der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan. "Leider ist das eine sehr gefährliche Entwicklung", sagte Dündar. "Im Moment gibt es nur Erdogan-Befürworter und Erdogan-Gegner." Die Türkei werde "eine Art Heilungsprozess" brauchen.

Dündar, der im Exil in Deutschland lebt, weil ihm in der Türkei eine Verurteilung wegen "Terrorpropaganda" droht, forderte von der Bundesregierung eine stärkere Solidarisierung mit den "freiheitlich-demokratischen Kräften in der Türkei". Deutschland müsse politische Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen und Solidarität gegenüber inhaftierten Journalisten, Politikern und Wissenschaftlern zeigen, sagte Dündar n-tv.

Auslandstürken könnten Ausschlag geben

Erdogan kann sich jedoch bis zuletzt nicht sicher sein, dass die Türken dem von ihm angestrebten Präsidialsystem zustimmen. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Instituts Gezici wollen am Sonntag 51,3 Prozent der Wahlberechtigten für die Verfassungsreform stimmen und 48,7 Prozent dagegen.

Befragt wurden am 8. und 9. April 1400 Wahlberechtigte in zehn Provinzen. Unklar war, wie hoch der Anteil der noch Unentschlossenen ist. Vor einer Woche lag die Zustimmung bei einer Gezici-Umfrage bei 53,3 Prozent. Im Durchschnitt von acht Umfragen zeichneten sich 50,8 Prozent für ein "Ja" ab, wie eine Zusammenstellung der Nachrichtenagentur Reuters ergab.

Die Verfassungsreform wäre die tief greifendste Veränderung des politischen Systems in der Türkei seit der Gründung der modernen Republik vor fast hundert Jahren. Erdogan würde weitreichende Befugnisse erhalten.

Die Abstimmung der im Ausland lebenden Türken endete bereits am Sonntag. Dabei hatte es eine hohe Wahlbeteiligung gegeben. Nach Angaben Erdogans reisten in dieser Woche deutlich mehr im Ausland lebende Türken in ihre Heimat als üblich. Das könnte Meinungsforschern zufolge Erdogan zugutekommen.

(APA/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Premierminister Binali Yıldırım
Türkei-Referendum

Ja-Lager: „Für eine starke Türkei“

Das Ja-Lager wirbt damit, dass eine Verfassungsreform Stabilität und ein Ende der ewigen Koalitionsstreitigkeiten bringe.
Präsident Erdogan wirbt für ein "Evet" beim Verfassungsreferendum.
Außenpolitik

Erdogan: Sieg bei Referendum wird Todesstrafe Weg ebnen

Präsident Erdogan tritt am Samstag vier Mal auf, um für sein Präsidialsystem zu werben und bringt die Todesstrafe erneut aufs Tapet.
Finale im Wahlkampf. Mit gewaltigen Plakaten wirbt der türkische Staatschef Erdo˘gan in Istanbul für ein Ja zu dem von ihm geplanten Präsidialsystem. Es würde seine Machtfülle erweitern.
Außenpolitik

Wie die Türkei unter dem neuen System aussehen würde

Recep Tayyip Erdoğan will sich von der Bevölkerung seine Vision einer Präsidialrepublik absegnen lassen. Der Staatschef soll die ganze Macht erhalten.
Der islamische Prediger Fethullah Gülen lebt im USamerikanischen Exil. Er hat einst der regierenden AKP geholfen, ihre Macht zu festigen.
Außenpolitik

Schulen im Visier: Der globale Kampf zwischen Erdoğan und Gülen

Die Bewegung des islamischen Predigers betreibt ein dichtes Netzwerk an Lehranstalten in aller Welt. Ankara will Kontrolle über die Schulen – mit einer eigenen Stiftung.
Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu
Außenpolitik

Watschenmann Europa tut sich mit Türkeikritik schwer

Faschistisch, rassistisch, fremden- und islamfeindlich – türkische Regierungsvertreter überhäufen die Europäer mit immer schrilleren Vorwürfen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.