„Ich bin ein absoluter Kurzstreckenläufer“

Interview. Geborene Führungskräfte seien rar, sagt Runtastic-Chef Florian Gschwandtner. Ein CEO müsse Finanzen, Produkte und Kunden im Blick haben.

Die Presse: Sie haben Runtastic im Oktober 2009 mit drei Kollegen gegründet. Seitdem ist viel passiert. Letzte Woche haben Sie die 200-Mitarbeiter-Marke geknackt. Was würden Sie wieder so machen, wo haben Sie dazugelernt?
Florian Gschwandtner: Wir haben uns nahezu jedes Jahr verdoppelt. Es gab ein paar magische Größen: Bis 20 Mitarbeiter muss man nicht von Führung reden, da ist man eine Familie, in der jeder weiß, was der andere tut. Bei 50 Leuten braucht es schon Struktur. Jene, die am Anfang dabei waren, kamen automatisch in führende Rollen. Wir haben uns nicht überlegt: Ist die Person eine Führungskraft?

Was zeichnet eine solche denn aus? Liegt einem das Führen im Blut, oder kann man das lernen?
Früher habe ich naiv gedacht, das kann jeder. Jetzt weiß ich: Geborenen Führungskräfte sind rar. Bei 100 Mitarbeitern haben wir kleine Hierarchien gebildet und HR professionalisiert, um für die „Team Leads“, wie sie bei uns heißen, eigene Weiterbildung zu bieten – Coaching, Feedback. Aber nur weil man es trainiert, heißt das nicht, dass man führen kann. Das muss einem schon ein bisschen liegen.

Wie unterscheiden sich Start-ups und traditionelle Unternehmen in diesem Punkt?
In Konzernen gibt es klare Strukturen und Regeln. Dort ist es wahrscheinlich leichter für Leute, die nicht geborene Führungskräfte sind, einen guten leitenden Job zu machen. Sie müssen Soft Skills mitbringen und gut kommunizieren lernen. In einem Start-up ist viel autonomes Arbeiten gewünscht. Man muss selbst Entscheidungen treffen. Ein schnell wachsendes Unternehmen mit immer mehr Mitarbeitern ist hinterher immer mit der Arbeit am System und damit beschäftigt, neue Leute einzubinden. Da gibt es Parallelen zu einem großen Unternehmen wie Hofer, das auch schnell wächst.

Schnelligkeit: Welche Rolle spielt sie in der heutigen Arbeitswelt?
Die Welt ist durch die unterschiedlichen Informationskanäle enorm schnell geworden. Wir haben nie gelernt, mit diesem Überfluss umzugehen. Parallel sind wir ständig selbst online. Unsere Aufmerksamkeitsschwelle liegt irgendwo im Sekundenbereich. Gleichzeitig suchen viele die Balance und schätzen als Kontrast komplett internetfreie Zeit.

Viele finden die Balance ja beim Laufen. Sie auch, nehme ich an?
Das ist stark verbreitet, auch im Topmanagement. Für eine Geschäftsreise packt wohl jeder die Laufschuhe ein. Auch ich habe sie heute hier in Wien mit im Koffer. Die jüngere Generation ist fit. Zigarette und Bierbauch gibt's fast nicht mehr. Da hat sich viel verändert.

Was ist Ihre ideale Distanz?
Ich bin ein absoluter Kurzstreckenläufer – zwischen sechs und zehn Kilometer. Ein Marathon reizt mich nicht, mir geht's um Performance. Mein großes Ziel in diesem Jahr habe ich jetzt geknackt: zehn Kilometer unter 40 Minuten. Da stecken viele Intervalltrainings bei Minusgraden im Jänner dahinter.

Und metaphorisch gedacht: Braucht es Langstreckenläufer und Sprinter im Unternehmen?
Es braucht beide, man muss die richtige, sich ergänzende Mischung finden und auf die Gruppendynamik achten.

Sie stammen aus einer Landwirtschaft und haben sich durch die Ausbildung in der Landwirtschaftlichen Fachschule in Wieselburg zuerst in diese Richtung entwickelt. Wie kam es dann zum einigermaßen konträren Studium Mobil Computing an der FH Hagenberg und später zu Supply Chain Management an der FH Steyr?
Die Entscheidung für Wieselburg war stark von meinen Eltern getrieben. Irgendwann habe ich gesagt: Ich mach das, was ich will. Die HTL-Schüler in Hagenberg taten sich leichter beim Programmieren und Integralrechnen. Es hat sich gezeigt: Ich bin nicht der beste Programmierer. Dafür gibt's Leute wie meine Gründerkollegen, Christian und René.

Welche wichtige Fähigkeit haben Sie mitgenommen?
Ich habe gelernt, die Sprache des Technikers, des Wirtschaftlers und der Kunden zu sprechen. Ich bin Generalist, könnte man sagen. Das kommt vielleicht schon ein bisschen vom Bauernhof, wo man auch viel Unterschiedliches können und verstehen muss. Ganz weit oben in der Führung braucht man die generalistische Eigenschaft. Als CEO musst du sowohl Finanzen als auch Produkte verstehen und die Kundensicht im Blick behalten.

Zur Person

Florian Gschwandtner (34) ist Mit-
begründer von Runtastic, das mit 110 Millionen registrierten Nutzern und 210 Millionen App-Downloads die erfolgreichste App Österreichs ist. 2009 hatte Gschwandtner das Unternehmen gemeinsam mit drei Kollegen gegründet und schnell ausgebaut. 2015 wurde es von Adidas um 220 Millionen Euro gekauft. Bis heute wird die Fitness-App täglich mehr als 150.000-mal weltweit heruntergeladen.

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