Eine ORF-Reform im Rückwärtsgang

Nicht nur die Wege sind im ORF lang – Entscheidungen werden vor der Nationalratswahl verschoben. Vieles wird wohl gar nicht mehr verwirklicht.
Nicht nur die Wege sind im ORF lang – Entscheidungen werden vor der Nationalratswahl verschoben. Vieles wird wohl gar nicht mehr verwirklicht.(c) Clemens Fabry
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ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wird vom ORF-Stiftungsrat vor der Juni-Sitzung an die Versprechen erinnert, die er vor seiner Wiederwahl 2016 gegeben hat. Zentrale Punkte seiner Bewerbung werden wohl unerfüllt bleiben.

Im Juli 2016 legte ORF-General Alexander Wrabetz den Stiftungsräten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein Versprechen vor: In seinem Konzept #ORF2021, mit dem er sich um eine Wiederwahl als Generaldirektor bewarb, kündigte Wrabetz neben vielen anderen Maßnahmen eine „Stärkung der Vielfalt und Unabhängigkeit“ der ORF-Information durch die Einführung einer Channel-Struktur mit eigenständigen Channel-Managern und „selbstständigen Chefredakteuren“ (für ORF eins und ORF 2) an. Und er verkündete: „Im letzten Drittel der kommenden Geschäftsführungsperiode (das wäre 2020/21) werden alle Journalist/innen des ORF (außer jene der Landesstudios) am zentralen Standort Küniglberg arbeiten.“


Die Wahl wirft ihre Schatten voraus. Die Stiftungsräte haben Wrabetz beim Wort genommen – und ihn gewählt. Jetzt fordern sie von ihm die Einhaltung seiner Versprechen. Doch das dürfte schwierig werden. Unter den gegebenen politischen Verhältnissen (die Nationalratswahl im Herbst wirft bereits ihre Schatten voraus und wird direkten Einfluss auf die Zusammensetzung des Stiftungsrats haben) hat Wrabetz die Strukturreform samt Channel-Idee auf Eis gelegt. ORF eins der ÖVP, ORF 2 der SPÖ – diese Farbenlehre könnte nach der Wahl obsolet sein. Gleichzeitig läuft der Um- und Neubau des Standorts Küniglberg sowohl zeitlich als auch finanziell immer mehr aus dem Ruder (der Rechnungshof und die interne Revision prüfen) – und es gibt massive Zweifel, ob das Standortprojekt in seiner ursprünglichen Dimension hält. Sogar der trimediale Newsroom, das Herzstück eines neu aufgestellten ORF, scheint in Gefahr.

Der bisherige „Freundeskreisleiter“ der SPÖ, Volkshilfe-Chef Erich Fenninger, hat daher diese Woche sein Stiftungsrats-Mandat zurückgelegt – und den „Stillstand“ im ORF beklagt. Der Kärntner Vertreter Siggi Neuschitzer zeigte sich „mehr als empört“, dass Wrabetz die Strukturreform nicht umsetzt. Er habe Wrabetz genau deshalb gewählt, monierte er. Der ORF-Chef solle „auf den Tisch hauen“: „Mir kommt schön langsam vor, dass einige Redakteure die Geschäftsführung am Küniglberg übernommen haben.“ Nicht nur die Politik streut der Reform Sand ins Getriebe. Die Rede ist von tiefen Gräben zwischen Roland Brunhofer (SPÖ), der Channel-Manager von ORF 2 werden sollte, und „ZiB2“-Moderator und stv. Chefredakteur Armin Wolf. Dieser bildet mit Chefredakteur Fritz Dittlbacher und Redakteurssprecher Dieter Bornemann eine starke Front in der TV-Information.

Wie es weitergeht, hängt auch vom Stiftungsrat ab. Er tagt am 1. Juni zum ersten Mal mit den neuen Mitgliedern: Im SPÖ-Lager musste Rudolf Ertl auf Geheiß von Minister Thomas Drozda den Hut nehmen (obwohl die unabhängigen Stiftungsräte nicht einfach so abberufen werden dürfen). Ihm folgt der ehemalige SPÖ-Kommuniaktionschef Heinz Lederer nach (er wird auch SPÖ-„Freundeskreis“-Leiter). Marie Ringler beerbt Wilfried Embacher (Grüne). Wer statt Erich Fenninger kommt, ist ebenso unklar wie die Nachfolge von Alberich Klinger (NÖ).

Nur sechs Monate. Lederer fordert im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ eine Arbeitsgruppe, die prüft, welche Informationen einst vorgelegt wurden, sodass die Stiftungsräte sich für den Standort Küniglberg ausgesprochen haben. Im Visier hat er Richard Grasl (ÖVP), der als Finanzdirektor zuständig war. Und er zielt auf TV-Direktorin Kathrin Zechner. Lederer will bei ihr (nach ORF-Kritik von Reinhold Mitterlehner und medienkritischen Worten von Eva Glawischnig) auf „Unabhängigkeit und höchste Qualität der Recherche“ pochen. Viel Zeit hat er nicht. „Ich freue mich auf die nächsten sechs Monate“, sagt er. Dann wird gewählt – und es werden auch im ORF die Karten neu gemischt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2017)

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