Polizei meldet Ermittlungsfortschritte nach Anschlag in Manchester

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Die Terrorwarnstufe bleibt vorerst auf dem höchstem Niveau. Ein 44-jähriger Mann wurde festgenommen.

Die Anti-Terror-Polizei in Großbritannien kommt bei ihren Ermittlungen zum Bombenanschlag von Manchester nach eigener Einschätzung zügig voran. Ein großer Teil des islamistischen Netzwerks um den Täter sei bereits gefasst, sagte der oberste Ermittler Mark Rowley. Ein 44-jähriger Mann sei am Freitagabend im Stadtteil Rusholme unter Terrorverdacht in Gewahrsam genommen worden, teilte die Polizei  wenig später via Twitter mit. Dennoch bleibt im ganzen Land vorerst die Terrorwarnstufe auf höchstem Niveau. Die Situation sei weiter "kritisch", sagte Innenministerin Amber Rudd nach einer weiteren Krisensitzung des Kabinetts.

Freitag früh nahm die Polizei bereits einen weiteren Verdächtigen im Stadtteil Moss Side von Manchester fest. Zudem durchsuchte sie zwei weitere Häuser in Moss Side und bei St. Helens westlich von Manchester.

Insgesamt elf Menschen sind nach Angaben der Polizei zwischen Dienstag und Freitag wegen Terrorverdachts in Großbritannien festgenommen worden. Acht Männer im Alter zwischen 18 und 38 Jahren befinden sich noch in Untersuchungshaft - darunter der ältere Bruder des Attentäters. Zwei weitere Verdächtige, ein 16-jähriger Jugendlicher und eine 34-jährige Frau, seien wieder auf freiem Fuß. In Libyen waren nach Angaben örtlicher Milizen der Vater und der jüngere Bruder des Attentäters festgenommen worden.

22 Menschen getötet

Für den Anschlag auf ein Popkonzert in Manchester am Montagabend wird der 22-jährige Salman Abedi, ein libyschstämmiger Brite, verantwortlich gemacht. Dabei wurden 22 Menschen getötet. Unter den Toten sind viele Kinder und Jugendliche. 66 Verletzte befanden sich am Freitag noch im Krankenhaus, darunter 23 lebensbedrohlich Verletzte.

Nach der Attacke hatte Großbritannien erstmals seit 2007 die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Sie bedeutet, dass ein weiterer Anschlag "unmittelbar" bevorstehen könnte.

US-Außenminister Rex Tillerson äußerte unterdessen sein Bedauern über die Veröffentlichung heikler Informationen zum Terroranschlag von Manchester in den USA. Sein Land übernehme die "volle Verantwortung" für das Leck, sagte Tillerson während eines Besuchs bei seinem Amtskollegen Boris Johnson in London.

Das Vertrauen zwischen Washington und London war getrübt, nachdem US-Behörden den amerikanischen Medien britische Ermittlungsergebnisse zu der Terror-Attacke zugespielt hatten. Nach einer Aussprache mit ihren US-Kollegen nahmen die Briten den Informationsaustausch am Freitag wieder auf.

Nach dem Selbstmordanschlag werden Sicherheitsfragen zu einem zentralen Thema im britischen Parlamentswahlkampf. Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte am Freitag, die Sparpolitik der konservativen Regierung von Premierministerin Theresa May müsse dort ein Ende finden, wo es um "Notfälle" und "Polizeistationen" gehe.

Labour im Aufwind

Labour befindet sich laut einer aktuellen Umfrage kräftig im Aufwind. Von 24 Prozentpunkten im April schrumpfte der Abstand zwischen Mays Konservativen und Corbyns Labour Party laut der am Freitag veröffentlichten YouGov-Umfrage auf nur noch fünf Prozentpunkte (43:38).

Die Parteien hatten wegen des Anschlags den Wahlkampf unterbrochen und erst am Freitag wieder aufgenommen. Dabei warf Corbyn der Regierung vor, mit ihren Militäreinsätzen im Ausland die Gefahr solcher Anschläge zu erhöhen. Experten und Geheimdienste hätten den Zusammenhang zwischen den Kriegen und dem Terrorismus im eigenen Land aufgezeigt. "Wir müssen tapfer genug sein einzugestehen, dass der 'Krieg gegen den Terror' nicht funktioniert." Seine Gegner warfen Corbyn vor, den Anschlag für den Wahlkampf zu instrumentalisieren.

Allerdings sehen sich die Konservativen auch mit der Frage konfrontiert, warum seit ihrem Machtantritt 20.000 Stellen bei der Polizei abgebaut worden sind. Innenministerin Rudd sagte inzwischen zu, den Personalabbau rückgängig zu machen. Ein Teil der Streichungen wurde von May in ihrer früheren Funktion als Innenministerin durchgesetzt.

Unterdessen kehrt in Manchester allmählich wieder der Alltag ein. Am Freitagnachmittag stand der Leichtathletik-Wettbewerb Great City Games auf dem Programm. Für Sonntag ist außerdem der Great Manchester Run geplant, zu dem tausende Läufer erwartet werden. Für die Veranstaltungen galten strenge Sicherheitsvorkehrungen, ebenso wie für die sportlichen Großereignisse am Samstag in London: das FA-Cup-Finale zwischen dem FC Chelsea und dem FC Arsenal und das Endspiel der englischen Rugby-Liga.

Der frühere Oasis-Sänger Liam Gallagher kündigte für Dienstag ein Benefizkonzert in seiner Heimatstadt Manchester an. Die Einnahmen seines ersten Solo-Auftritts sollen den Familien der Anschlagsopfer zugutekommen.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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