Philippinen: IS nimmt Asien ins Visier

Regierungssoldaten patrouillieren durch die Straßen von Marawi. Zuvor haben Islamisten die Stadt auf den Philippinen erobert.
Regierungssoldaten patrouillieren durch die Straßen von Marawi. Zuvor haben Islamisten die Stadt auf den Philippinen erobert.(c) APA/AFP/TED ALJIBE
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Extremisten haben im Süden des Landes die Stadt Marawi überfallen. Die Gefahr durch den IS wird in Südostasien immer größer.

Bangkok/Manila. Marawi im Süden der Philippinen ist seit Tagen ein Kriegsgebiet: Über der Stadt auf der Insel Mindanao kreisen Helikopter, Rauch steigt auf, immer wieder ertönen Schüsse – und auf Fahnenmasten und an einigen Autos weht die Fahne des sogenannten Islamischen Staates (IS).

Die mit dem IS verbündeten Terrororganisationen Maute und Abu Sayyaf überfielen die Stadt mit 200.000 Einwohnern, sie brannten Schulen und Kirchen ab, bis zum Sonntag waren die meisten Einwohner geflohen, aber rund 2000 Zivilisten sind nach wie vor in einem Stadtteil eingekesselt. Der höchste Staatsanwalt der Philippinen, Jose Calida, spricht von einer „Invasion von Terroristen, die der IS gerufen hat“. Geheimdienstinformationen deuten daraufhin, dass der IS den Angriff befohlen hat, um ein Kalifat der Terrororganisationen auf Mindanao zu gründen.

Die philippinische Armee reagiert mit ganzer Härte: Am Sonntag hieß es, dass bei den bisherigen Kämpfen fast hundert Menschen getötet wurden, bei den meisten Opfern soll es sich um Islamisten handeln. Präsident Rodrigo Dutertehat über die Insel das Kriegsrecht verhängt. Und er warnt davor, den Ausnahmezustand möglicherweise auf das gesamte Land auszuweiten.

Die Kämpfe auf den Philippinen nähren die Befürchtungen, dass der IS in Südostasien Fuß fassen und die Region erheblich destabilisieren könnte. Es war nicht der einzige Angriff diese Woche: Erst am Mittwoch sprengte sich in Jakarta, Indonesiens Hauptstadt, ein IS-Anhänger in einem Busbahnhof in die Luft und tötete drei Polizisten. „Der Islamische Staat bleibt der wichtigste Drahtzieher der Attacken in Indonesien, und die Gefahr durch seine Verbündeten dürfte zunehmen“, so Otso Iho, Analyst beim Thinktank Jane's.

Kopfgeld in Millionenhöhe

Seit Jahrzehnten haben Staaten wie Indonesien und die Philippinen Probleme mit islamistischen Separatisten. Der IS könnte ihnen neuen Auftrieb geben. Mehrere lokale Terrorgruppen haben dem IS die Treue geschworen. Der Chef der in Marawi marodierenden Terrorbande, Isnilon Hapilon, hat sich selbst zum Stellvertreter des IS in Südostasien erklärt. Die USA haben ein Kopfgeld von fünf Millionen US-Dollar auf ihn ausgesetzt.

Zwar ist unklar, wie eng die Kooperation zwischen dem Kern des IS und den lokalen Terrororganisationen in Asien ist. Doch der Regierung zufolge gibt es Hinweise darauf, dass es dem IS zumindest gelungen ist, die Islamisten der Region zu vernetzen und zum Angriff zu animieren. Unter den nun getöteten Kämpfern sind offenbar auch Ausländer, etwa aus Malaysia und Indonesien. Zuvor hat Manila immer wieder bestritten, dass lokale Terrorgruppen Verbindungen zu internationalen Netzwerken hätten.

Doch auf zahlreiche Radikale in der Region übt der IS eine enorme Anziehungskraft aus. Schätzungen zufolge sind bereits rund 1000 Kämpfer aus Südostasien in den Nahen Osten gereist, um dort den IS zu verteidigen. „Keiner weiß, ob und wie viele zurückkommen oder vielleicht schon zurück sind“, sagt Benedikt Seemann, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung auf den Philippinen. „Das ist ohne Zweifel ein enormes Risiko.“

Zwar hält Seemann den Terrorismus auf den Philippinen noch für kontrollierbar, doch die ausländische Unterstützung könnte das schnell ändern: „Die Kooperation mit dem IS könnte die Schlagkraft der lokalen Terrorgruppen erheblich erhöhen. Wenn Maute oder anderen islamistischen Gruppen große Anschläge außerhalb ihres bisherigen Operationsgebietes gelingen, kommt das Land an einen Scheideweg. Dann sind bürgerkriegsähnliche Zustände möglich.“

An Diktatur erinnert

Solche Sorgen kommen auch deswegen auf, weil mit Duterte ein Mann die Philippinen regiert, der als alles andere als zimperlich gilt. Dass er keine Probleme damit hat, Konflikte eskalieren zu lassen, zeigt sein umstrittener „Krieg gegen die Drogen“. Dass Duterte nun gleich das Kriegsrecht auf der gesamten Insel Mindanao verhängt hat, irritiert viele Beobachter. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen befürchten, dass der bei vielen Filipinos beliebte Politiker seine Macht so noch weiter festigen will – und fühlen sich an die Diktatur von Ferdinand Marcos erinnert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2017)

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