Rauer Wind gegen EU-Duo: „Schwach und unbekannt“

(c) Reuters (Yves Herman)
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Van Rompuy steht unter Druck der Länder, Ashton muss Parlament überzeugen. Sie wissen wohl, dass sie der „kleinste gemeinsame Nenner“ der 27 EU-Länder waren und sind.

BRÜSSEL/WIEN. Es war kein Start, wie es sich ein EU-„Dreamteam“ wünschen kann: Am Donnerstagabend hörten die neue „EU-Außenministerin“ Catherine Ashton und der neue Ratspräsident Herman Van Rompuy noch Höflichkeitsfloskeln aus den EU-Ländern, nachdem sie von Europas Staats- und Regierungschefs in die neuen Ämter gehievt worden waren.

Schon am Freitag regte sich ausgerechnet innerhalb der EU Empörung, das neue Spitzenduo sei „schwach“ und überdies „unbekannt“, so der Tenor. Die EU sei noch nicht bereit, politische Führer großen Formats zu bestellen, meinte etwa der Pole Donald Tusk.

Davor hatte schon der frühere Chef der EU-Kommission, der Italiener Romano Prodi, gefragt: „Ashton? Wer ist das?“ Er sei „entsetzt“ über die Bestellung einer praktisch Unbekannten in ein wichtiges EU-Amt, das der neue EU-Vertrag von Lissabon mit 1.Dezember schafft. Dieser bringt auch den neuen Ratspräsidenten, der den EU-Staats- und -Regierungschefs über zweieinhalb Jahre vorsitzen wird.

Von den ersten, teils negativen Rückmeldungen wollen sich Van Rompuy und Ashton offenbar nicht beirren lassen. Sie wissen wohl, dass sie der „kleinste gemeinsame Nenner“ der 27 EU-Länder waren und sind. Immerhin kommt den Regierungen entgegen, dass sie beide nicht als besonders schlagkräftig, sondern – speziell Van Rompuy – als konziliant gelten. Das dient den Ländern und ihren Interessen. Angeblich machen diese bereits erheblichen Druck auf Van Rompuy, die nationalen Vorlieben als erster „EU-Präsident“ ja nie zu kurz kommen zu lassen. Denn der erste Amtsinhaber wird den neuen Job für viele Jahre definieren.

EU-Präsident will allen dienen

Immerhin gilt der 62-jährige belgische Christdemokrat, der seit Ende des Vorjahres Premier ist und davor Parlamentspräsident war, als überaus konsensorientiert. Er hat es geschafft, dass Flandern und Wallonien weiterhin geeint sind, indem er stets den Kompromiss gesucht hat. Verhandeln, bis alle den Vorteil einer Lösung sehen, ist seine Maxime. Van Rompuy selbst ist einer, der bisher nicht gern im Rampenlicht stand, er verhandelt lieber hinter den Kulissen. Als EU-Präsident wird er immer wieder ins Licht der Öffentlichkeit – auch der Weltöffentlichkeit – treten müssen. Ein großer Schritt für den kleinen Premier, der als bescheiden gilt. International helfen wird dem Flamen, dass er fließend Französisch, gut Englisch und auch Deutsch spricht.

Die EU-Länder beruhigte er von sich aus schon in den ersten Reaktionen auf seine Bestellung: „Meine persönliche Meinung ist völlig untergeordnet. Es ist völlig egal, was ich denke, meine Rolle besteht darin, nach dem Konsens zu suchen“, sagte er laut Austria Presseagentur. Er wolle, dass bei Verhandlungen der Regierungen alle Länder als „Sieger“ hervorgehen.

Prononcierten Befürwortern einer EU-Integration geht das allzu Konziliante gegen den Strich: Man habe „Hausmeister und Dienstboten“ der Regierungen statt einer echten Führung bestellt, sagte einer der Architekten des heutigen Lissabon-Vertrags und damit der EU-Topjobs, der frühere grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber, am Freitag. Für die neue Grünen-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Ulrike Lunacek, ist klar: Die Länder hätten mit Van Rompuy gewonnen – zu Lasten der EU-Interessen: „Mit den Bestellungen laufen wir Gefahr, weder ein starkes Europa noch echte ,Gesichter‘ in der Welt zu präsentieren“, sagte die EU-Parlamentarierin der „Presse“.

Ashton muss noch zittern

Wenigstens für Ashton könnte es noch einmal eng werden. Sie selbst meinte gegenüber britischen Journalisten, sie nehme zwar nicht für sich in Anspruch, eine Außenpolitikspezialistin zu sein. Sie wolle aber zeigen, „dass ich die beste Person für diese Aufgabe bin“. Auf ihrer Bestellung durch die Staats- und Regierungschefs darf sich die 53-jährige Labour-Politikerin und aktuelle EU-Handelskommissarin noch nicht ausruhen. Denn voraussichtlich schon am 2. oder 3. Dezember, zum Start als „EU-Außenministerin“, muss sie sich einem Hearing im EU-Parlament stellen. Dazu ist sie verpflichtet, weil die Außenministerin gleichzeitig Vizechefin der EU-Kommission ist.

„Abwahl nicht ausgeschlossen“, sagt Lunacek. Ashton hat bisher keine außenpolitische Erfahrung, das könnte zum Stolperstein werden. „Aber ich lasse mich auch gern positiv überraschen.“

Rot-schwarzer Kompromiss

Wahrscheinlich ist ein Veto der EU-Abgeordneten gegen Ashton nicht. Immerhin kommt sie aus der Familie der EU-Sozialdemokraten, die im Jobpoker gemäß einem inoffiziellen Konsens mit den Christdemokraten auch zum Zug kommen sollten. Und als Britin hat sie eines der „großen drei“ Länder hinter sich – neben Deutschland und Frankreich. Nicht zuletzt kam Ashton zugute, dass ohne ihre Bestellung keine Frau in einem EU-Tobjob zu finden wäre. Als Partner hat sie nun neben Van Rompuy EU-Kommissionschef José Barroso und EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek.

AUF EINEN BLICK

Am Donnerstag wurde die Britin Catherine Ashton zur neuen „EU-Außenministerin“ bestellt. Kritiker halten sie für zu wenig bekannt, um in der Welt als „die“ Stimme Europas wahrgenommen zu werden.

Der neue Ratspräsident Herman Van Rompuy kämpft mit dem Vorwurf, als belgischer Konsenspolitiker sei er nicht gewappnet, um unter bei den Staats- und Regierungschefs den Ton anzugeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2009)

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