Life Ball: Das Ende der Leichtigkeit

Die Eröffnung des 24. Life Balls am Wiener Rathausplatz.
Die Eröffnung des 24. Life Balls am Wiener Rathausplatz.(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Der Life Ball steht an einem Wendepunkt. Funktioniert die Neukonzeption? Findet man Sponsoren? Bleibt der Ball über sein 25-Jahr-Jubiläum hinaus relevant?

"Willkommen in der Zeit zwischen den Zeiten. Aus dem Ausatmen wird ein Durchatmen wird ein gieriges Einsaugen des Lebens. Im goldenen Zeitalter steht alles auf dem Spiel, man tanzt die Nächte durch auf dem Vulkan, mit nackten Füßen, schrill, schnell, radikal, exzessiv, exaltiert und verrucht. Das trotzige Credo der Bohème Sauvage: Jetzt erst recht."

So stand es in der "Life Bible", die Gäste in das Motto des Balls einführt, das heuer Parallelen zog zwischen dem Heute und der Zwischenkriegszeit. Eine Revue sollte der gestrige Abend werden, ein Hineinversetzen in die Goldenen Zwanzigerjahre, in denen sexuelle Tabus gesprengt wurden, ein neuer Hedonismus entstand. "Doch der Bettler bleibt unentdeckt", heißt es an anderer Stelle, "niemand sieht ihn an. Was bedeuten Freiheit und Schönheit, wenn sie sich von denen abwenden, die weder schön noch reich sind?"

Es ist einiges an Selbstkritik, die in der 24. Auflage des Life Ball zwischen Hängekleidchen und Charlestonklängen mitschwang. Und "jetzt erst recht", das könnte auch für das Spektakel gelten, das sich, zu Recht, im vergangenen Jahr die Sinnfrage gestellt hat.

Viel war spekuliert worden über die wahren Gründe, warum Organisator Gery Keszler im Herbst 2015 ein Aussetzen verkündet hatte, ja auch warum er, nach Jahrzehnten des Schützens der eigenen Privatsphäre, zuvor auf dem Ball seine eigene HIV-Infektion öffentlich gemacht hatte.

Doppeldeutigkeit, ein Bewusstsein der Brüchigkeit, der Abgründe, die man sich fürs Erste zugunsten des Feierns zu ignorieren entschlossen hat - sie waren dem Life Ball immer schon inhärent, seit man sich 1993 zum ersten Mal mehr oder weniger improvisiert im Wiener Rathaus zusammenfand, um dem Schrecken, dem Sterben, das insbesondere in der Mode- und Kreativwelt um sich griff, etwas entgegenzusetzen. Immer schon ging es um Lebensfreude angesichts ernster Themen.

Doch nun scheint der Veranstaltung endgültig die Leichtigkeit abhandengekommen sein. Und das liegt nicht nur daran, dass der Rathausplatz angesichts der latenten Terrorbedrohung erstmals streng bewacht und abgesperrt war, dass Schaulustige nur mit vorab ausgestelltem Ticket zur Eröffnung durften (wahlweise für fünf Euro nah am roten Teppich oder gratis weiter hinten). Dazu kommt auch die Last der Verantwortung. Wenn man sich schon selbst infrage stellt - wie fällt die Antwort aus? War es gar der letzte Ball, wie Einzelne in der Szene mutmaßten?

Andere Welt

Was 1993 als einmaliges Fest geplant war, wurde in Folge zu einer der spektakulärsten und erfolgreichsten Charity-Veranstaltungen der Welt. Die einzelnen Elemente wurden unter den strengen Augen und Händen des Feinmechanikers und Visagisten Gery Keszler über die Jahre immer aufwendiger, die Gäste immer prominenter, die Vernetzung mit internationalen Aids-Hilfe-Initiativen immer enger. Was davon in der breiten Öffentlichkeit ankam, war freilich eine andere Frage. Die gelüstet es nach berühmten Gästen, dabei goutiert man nicht immer, wenn als Gegenleistung entsprechende Teile des Spendenflusses in deren Töpfe fließen. Dabei hat der Ball auch stets heimische Projekte gefördert, an deren Spitze nur eben kein Bill Clinton steht.

Und die Welt ist eine andere geworden. Es gibt eingetragene Lebenspartnerschaften, HIV ist zu einer behandelbaren Krankheit geworden. Andere schrille Großveranstaltungen wie die Love Parade, die ihre Blüte in den Neunzigern hatten, sind längst Geschichte. Der Life Ball hat immer weitergemacht, dabei bewusst den einen oder anderen schwulen Gast der ersten Stunde verprellt, indem er sich bewusst der breiten Gesellschaft öffnete. Weil man deren Akzeptanz wollte - und den Inhalt ihrer Brieftaschen. Mehr und mehr wurde der Ball zur Marketingplattform. 2011 hatte er erstmals mehr als zwei Millionen Euro lukriert. Mehr ist stets das Ziel. Ein Ziel, das immer schwerer zu erreichen ist. Zumal sich Keszler dabei zunehmend selbst im Weg steht. Sponsoren verzichten auf Wiederholung ihrer Teilnahme, weil die Zusammenarbeit mit dem aufbrausenden, gern über jedes Detail selbst entscheidenden Keszler schwierig sei. Die Bedürfnisse, so hört man, würden zu wenig zählen.

Wie groß das Problem ist, kann man daran ermessen, dass Keszler auf der großen Pressekonferenz selbst beklagt hat, dass viele Sponsoren ausgefallen seien. Besonders schmerzte der Verlust von Swarovski. Der global agierende Tiroler Kristallkonzern hatte seit 2005 den "Crystal of Hope"-Award gestiftet, der mit 100.000 Euro dotiert war. Dazu kam der Abgang von Mitarbeitern. Keszler selbst bedankte sich, wiederum öffentlich, emotional bei zwei verbliebenen Getreuen.

Dass es, trotz eines Vierteljahrhunderts an Erfahrung im Planen einer Großveranstaltung, hinter den Kulissen nicht rund lief, merkte man immer wieder an Details. Dass die Gala vor dem Ball nicht mehr in der Hofburg, sondern gleich im Rathaus stattfand, erklärt man mit Logistik, es dürfte aber auch mit sinkender Spendierfreudigkeit zu tun haben. Wie viel das - geförderte und vom Roten Wien forcierte - Fest heuer einspielt, wird neuerdings übrigens nicht mehr im Anschluss bekannt gegeben. Erst zu Jahresende ziehe man Bilanz - weil man sich im Zuge der Neukonzeption als ganzjährige Aktion begreife. Ob sie greift, wird sich zeigen. Nächstes Jahr steht jedenfalls das 25-Jahr-Jubiläum an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2017)

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