Der Koalitionsbruch ist perfekt

Austria´s Foreign Minister Kurz and Chancellor Kern attend the new Vice Chancellor´s and new Economics Minister´s inauguration ceremony in Vienna
Austria´s Foreign Minister Kurz and Chancellor Kern attend the new Vice Chancellor´s and new Economics Minister´s inauguration ceremony in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Die SPÖ stimmte mit den anderen Fraktionen gegen die ÖVP für höhere Universitätsbudgets. Heute drohen im Parlament weitere Verwerfungen bei der Homo-Ehe. Das Ende des Pflegeregresses dürfte fix sein.

Zum Finale im Parlament vor der Sommerpause spitzte sich am Mittwoch die Situation zwischen den beiden Noch-Regierungsparteien SPÖ und ÖVP im Laufe des Tages immer mehr zu. Knapp nach 17 Uhr war dann der Eklat perfekt: Die SPÖ machte entgegen dem rot-schwarzen Regierungspakt beim Uni-Budget gemeinsame Sache mit den Grünen, die dazu einen Antrag eingebracht hatten. Bei der Abstimmung blieb dann die ÖVP gegen die SPÖ und die Opposition außer dem Team Stronach allein. Damit war ein Koalitionsbruch perfekt, weil ein solches „Fremdgehen“ im Regierungsabkommen ausdrücklich ausgeschlossen wird.

Bundeskanzler SPÖ-Chef Christian Kern hatte nach der Ankündigung vorgezogener Neuwahlen durch ÖVP-Obmann Sebastian Kurz am 12. Mai nicht ausgeschlossen, dass man sich bis zur Nationalratswahl am 15. Oktober in einem freien Spiel der Kräfte andere Mehrheiten im Nationalrat suchen werde. Kurz hatte das hingegen für die ÖVP stets verneint.
Bei den Unis war die Koalition schon länger uneins gewesen: Die SPÖ drängte auf eine rasche Verabschiedung des Budgets für 2019 bis 2021 mit einem Plus von 1,35 Milliarden Euro – die ÖVP wollte das aber nur, wenn es zeitgleich mit der paktierten Studienplatzfinanzierung beschlossen wird, die eine neue Verteilung des Geldes und auch neue Zugangsbeschränkungen bringen soll. Beschlossen wurde nun das Budget – vorerst ohne Studienplatzfinanzierung. Vorgesehen ist, dass die Regierung auf der Basis einiger Grundsätze bis 31. Jänner 2018 die neue Finanzierung ausarbeitet. Der Begriff Zugangsbeschränkungen findet sich darin nicht.

„Das hilft keinem Studenten“

Mehr Geld ohne Strategie löse keine Probleme, kritisierte man im Büro von Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP). „Dieser Beschluss hilft keinem Studierenden, Lehrenden oder wissenschaftlichem Mitarbeiter“, hieß es gegenüber der „Presse“. Man wolle dieses suboptimale System nicht fortsetzen und einfach nur Geld ins System schütten, ohne Vorgaben zu machen. „Das ist alte Politik und nicht Politik neuen Stils“, sagte Mahrer im Parlament.

Schon vor der Abstimmung zeigte sich Mahrer enttäuscht: Kern habe sich offenbar in der eigenen Fraktion nicht mit seinem Plan A durchsetzen können, in dem er erstmals signalisierte, für Zugangsbeschränkungen an den Unis offen zu sein. Das war lange ein Tabu in der SPÖ, die den freien Hochschulzugang als Grundsatz hoch hielt.

„Ich verstehe schon, dass es ein schwieriger Moment für den Wissenschaftsminister ist“, sagte SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl nach der Abstimmung. Aber die SPÖ habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. „Ich bin extrem froh, dass die SPÖ zur Vernunft gekommen ist und damit der Verhindererpartei ÖVP ein klares Zeichen gesetzt hat“, sagte die grüne Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer zur „Presse“. Sie hatte den aktuellen Uni-Antrag eingebracht, der auf einem Vorschlag der SPÖ basierte.

Die Rektorenkonferenz sah Anlass für Jubel. „Wermutstropfen“ sei freilich die Ungewissheit um die Studienplatzfinanzierung.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ist über den Koalitionsbruch empört. „Das ist ein schweres Foul des Kanzlers“, sagte er. Kern habe offenbar vor, „die Republik in das finanzielle Chaos zu stürzen“. Die ÖVP sieht er nicht mehr an das Versprechen gebunden, die SPÖ nicht zu überstimmen. ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger versicherte jedoch, man wolle nicht Gleiches mit gleichem vergelten.

Dennoch zeichnet sich für den heute folgenden Parlamentstag eine besonders brisante Atmosphäre ab. Der offene Bruch zwischen SPÖ und ÖVP kam insofern überraschend, weil es nur rund zwei Stunden davor bei der über Wochen heftig umkämpften Neuregelung der Gewerbeordnung zu einer rot-schwarzen Einigung gekommen war.

Kurzfristiger Antrag zum Pflegeregress

Nun könnte es heute, Donnerstag, sogar noch zur Abschaffung des Pflegeregresses für Bewohner von Pflegeheimen kommen. Die SPÖ verstärkte am Mittwoch den Druck auf die ÖVP. Kern hatte bereits in der Früh erklärt, man werde das „mit oder ohne ÖVP“ mit einem kurzfristig eingebrachten Abänderungsantrag beschließen. Die ÖVP möchte vermeiden, dass die SPÖ allein die Lorbeeren dafür erntet. Am Mittwochabend schien ein gemeinsamer Beschluss von Rot und Schwarz mit FPÖ, Grünen und Team Stronach wahrscheinlich. Denn aus den Reihen der ÖVP wurde der „Presse“ angekündigt, das Aus für den Regress werde umgesetzt. Die Finanzierung soll ohne die von der SPÖ verlangte Erbschaftssteuer erfolgen.

Ein Zankapfel bleibt in jedem Fall. Mit einer Abstimmung zur Homo-Ehe möchte die SPÖ die ÖVP in der heutigen Nationalratssitzung zu einem Offenbarungseid zwingen. Um gemeinsam mit Grünen und Neos vorzugehen, wurde ein für Mittwoch geplanter Fristsetzungsantrag zur Homosexuellenehe verschoben und soll heute auf die Tagesordnung kommen.

Ziel des Antrags ist es, dass noch vor der Wahl im Herbst über die Ausweitung der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare im Plenum abgestimmt werden muss. Neos, Grüne und SPÖ sind dafür, haben aber keine Mehrheit. Wenn die SPÖ gegen die ÖVP stimmt, wäre dies erneut einen Koalitionsbruch.

LEXIKON

Regierungsabkommen. SPÖ und ÖVP haben im Koalitionsabkommen im Dezember 2013 eine Sicherheitsregelung aufgenommen, um ein gegenseitiges Überstimmen zu vermeiden. Diese Passage lautet: „Die parlamentarischen Fraktionen der Koalitionsparteien und deren Klubobleute stimmen das parlamentarische Vorgehen im Interesse einer sachlichen Kooperation zeitgerecht ab und stellen eine gemeinsame Arbeit der Koalitionsparteien in sämtlichen parlamentarischen Angelegenheiten, einschließlich der Abstimmungen sicher.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2017)

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