Auf dem G20-Gipfel wurde eine Eskalation in globalen Handelsfragen verhindert. Die Ergebnisse sind durchwachsen. Die Suche nach Lösungen geht weiter - und beim Problem der Gewalteskalation geht sie erst richtig los.
Wien/Hamburg. Seit die Staats- und Regierungschefs der 20 mächtigsten Industrie- und Schwellenländer aus Hamburg abgereist sind, ist Deutschland mit der Aufarbeitung der Gewalteskalation beschäftigt. Die beispiellosen Krawalle während des G-20-Gipfels am Wochenende hielten teils sogar bis in die Nacht zum Sonntag an. Bei den Zusammenstößen mit Autonomen waren mehr als 200 Polizisten verletzt worden.
Parteiübergreifend fordern deutsche Politiker nun harte Strafen für die Randalierer und eine Ausweitung der Ermittlungsmöglichkeiten. „Ich setze hier auf schnelle Ermittlungserfolge der Polizei und auf harte Strafen der Justiz“, sagte Innenminister Thomas de Maiziere der „Bild am Sonntag“. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), der die überwiegend linksradikalen Randalierer mit Neo-Nazis verglich, forderte rasche Ermittlungen in ganz Europa durch ein Spezialistenteam.
Aber auch jenseits des Sicherheitsthemas lässt der G-20-Gipfel Fragen offen und hat in manchen Punkten Lösungen nur vertagt. In vielem galt es einfach, G20-Standards angesichts der „Amerika zuerst“-Strategie von US-Präsident Donald Trump zu verteidigen. Die Gefahr von Handelskriegen ist damit nicht gebannt, die Ergebnisse sind entsprechend durchwachsen. Und so sehen die wichtigsten im Detail aus:
• Handel. Der Durchbruch erfolgte erst in der zweiten Gipfelnacht; heraus kam ein klassischer Kompromiss. Es gelang, eine Formulierung in das Schlussdokument zu retten, wonach Protektionismus einschließlich aller unfairen Handelspraktiken bekämpft werden soll – eigentlich eine Selbstverständlichkeit im Rahmen der G20. Zugestanden wurden dem US-Präsidenten aber „rechtmäßige Handelsschutzinstrumente“. In Verhandlungskreisen wurde eingeräumt, dass die verschiedenen Länder die Begriffe womöglich ganz unterschiedlich verstehen.
• Stahlmarkt. Der Konflikt auf dem Stahlmarkt wurde nur vertagt. Bis November streben die G20-Länder eine Lösung zum Abbau der Stahl-Überkapazitäten an, um eine Spirale gegenseitiger Straf- und Vergeltungsmaßnahmen zu verhindern. Das vor einem Jahr auf dem G20-Gipfel in China gestartete „globale Forum“ soll bis August Informationen vorlegen und bis November einen Bericht mit konkreten politischen Lösungen. Die G20-Partner befürchten weiter, dass die USA Strafzölle gegen Stahlimporte verhängen – wegen angeblicher Dumpingpreise und einer möglichen Bedrohung der nationalen Sicherheit. Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, drohte scharf mit raschen Gegenmaßnahmen.
• Klimaschutz. Die Einigung besteht darin, die abweichende Haltung der USA zum Pariser Klimaabkommen – etwa die Nutzung fossiler Energieträger – klar zu benennen. Doch was zunächst immerhin noch aussah wie eine einheitliche Position der übrigen 19 Partner, wurde bald vom türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, in Frage gestellt, indem er die Ratifizierung des Abkommens an Bedingungen knüpfte.
• Flüchtlinge. Gemeinsam gegen die Flüchtlingskrise – das war ein dringender Wunsch der Europäer beim G20-Gipfel. Gelungen ist aber nur eine halbherzige Einigung im Kampf gegen Schleuser und Menschenhändler. Dazu werden Maßnahmen angekündigt, die vage bleiben. Die insbesondere von der EU verfolgte Idee, dabei die UNO einzubinden, scheiterte.
• Syrien. Eine Waffenruhe für Teile Syriens ab gestrigem Sonntag wurde nach dem ersten direkten Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Staatschef Wladimir Putin verkündet. Ausgehandelt wurde sie allerdings nicht in Hamburg, sondern von Unterhändlern in Jordanien. Wie lange sie hält, ist offen. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2017)