Liu Xiaobo: Peking unter Beschuss

Aktivisten erinnern an den verstorbenen Liu Xiaobo
Aktivisten erinnern an den verstorbenen Liu XiaoboREUTERS
  • Drucken

Führende Politiker appellieren an China, die Witwe des verstorbenen Friedensnobelpreisträgers ausreisen zu lassen.

Nach dem Tod des Dissidenten und Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo haben führende Politiker an China appelliert, seine Witwe nun ohne Restriktionen ausreisen zu lassen. Unter anderm verlangten die EU und das US-Außenministerium von Peking, die Einschränkungen der Bewegungs- und Kommunikationsfreiheit von Liu Xia aufzuheben. China wies jegliche Kritik an seinem Vorgehen scharf zurück.

Die Vorsitzende des Nobelpreiskomitees, Berit Reiss-Andersen, gab gestern bekannt, dass ihr Visaantrag von der chinesischen Botschaft in Oslo wegen formaler Mängel abgelehnt worden sei; sie hatte zum Begräbnis von Liu Xiaobo reisen wollen.

Der 61 Jahre alte Bürgerrechtler, der 2009 wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt worden war, war am Donnerstag nach einem schweren Krebsleiden in einem Krankenhaus gestorben. Sein Leben lang hatte sich der Bürgerrechtler friedlich für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz in China eingesetzt. 2010 erhielt er dafür den Nobelpreis, was die chinesische Regierung empörte. Während der Autor die vergangenen Jahre im Gefängnis verbrachte, wurde seine Ehefrau Liu Xia in Peking unter Hausarrest gestellt.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk appellierten an die Regierung in Peking, keine Auflagen für das Begräbnis zu machen und die Familie in Ruhe trauern zu lassen. Auch sollten die Witwe und deren Bruder die Erlaubnis erhalten, China zu verlassen, erklärten Tusk und Juncker am Donnerstagabend. Sie fügten hinzu: "Wir bekräftigen den Appell der Europäischen Union, alle aus Gewissensgründen Inhaftierten in China freizulassen."

"Justiz und Souveränität respektieren"

US-Außenminister Rex Tillerson nannte Liu Xiaobo einen Vorkämpfer für Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit in China, dessen Witwe nun aus dem Hausarrest entlassen werden müsse. Präsident Donald Trump kondolierte den Hinterbliebenen zwar in einer knappen Mitteilung, verzichtete aber auf eine derartige Forderung an Peking.

China wies die Kommentare aus dem Ausland zurück. Staaten, die nun Kritik übten, sollten Chinas "Justiz und Souveränität respektieren", forderte ein Sprecher des Außenministeriums am Freitag laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. "Der Umgang mit dem Fall von Liu Xiaobo gehört zu den inneren Angelegenheiten Chinas, und andere Länder sind in keiner Position, unsachgemäße Bemerkungen zu machen."

Zwei ausländische Ärzte, der Heidelberger Professor Markus Büchler und der US-Krebsspezialist Joseph M. Herman, hatten nach einem Besuch bei Liu Xiaobo am Wochenende - anders als ihre chinesischen Kollegen - konstatiert, dass der 61-Jährige zu diesem Zeitpunkt noch transportfähig gewesen wäre. Die Kliniken der Universitäten von Heidelberg und Texas waren bereit, den Patienten aufzunehmen. China lehnte das ab.

"Gigant der Menschenrechte"

Politiker und Menschenrechtsorganisationen würdigten Liu Xiaobo als einen der prominentesten Fürsprecher der Menschenrechte in China. Amnesty International nannte ihn einen "Giganten der Menschenrechte". Die EU-Spitze hob hervor, sein persönlicher Einsatz während der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen-Platz) 1989 habe Hunderte oder sogar Tausende Menschenleben gerettet.

Die im Exil lebenden ehemaligen Studentenführer der Proteste am Tian'anmen-Platz, Wang Dan und Wuer Kaixi, griffen die chinesische Regierung nach dem Tod des Friedensnobelpreisträgers scharf an. "Ich hoffe, dass sich die Welt für immer erinnern wird, wie die Kommunistische Partei Chinas, diese neue Nazi-Bande, Liu Xiaobo brutal zu Tode gefoltert hat", schrieb Wang Dan am Donnerstag auf Facebook. "Das war ein politischer Mord". Wuer Kaixi schrieb: "Jetzt haben wir ein weiteres Datum, das uns an Zerstörung, Wut, Ekel, Verzweiflung erinnert - und an Freiheit, Träume und Hoffnungen für China."

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Liu Xiaobo: Witwe meldet sich erstmals nach Begräbnis zu Wort

Liu Xia wurde seit der Seebestattung des Friedensnobelpreisträgers Mitte Juli nicht mehr gesehen.
Außenpolitik

Anwalt: China hat Liu Xiaobos Witwe "verschwinden lassen"

Die Frau des Friedensnobelpreisträgers ist seit der Trauerfeier ihres Ehemanns verschwunden. Ihr Verteidiger legt bei der UNO Beschwerde ein.
Liu Xia
Außenpolitik

Lius Witwe ist verschwunden

Nach dem Tod des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo wächst die Sorge um seine Frau. Peking weist internationale Kritik brüsk zurück.
Flowers are laid beside a photo of the late Nobel Laureate Liu Xiaobo in Hong Kong
Außenpolitik

Liu Xiaobo: Chinas große kritische Stimme ist verstummt

Der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo ist im Alter von 61 Jahren an Leberkrebs verstorben. Der Regimekritiker verbrachte 18 Jahre seines Lebens im Gefängnis.
Außenpolitik

Nobelkomitee: China trägt "schwere Verantwortung" am Tod Lius

Es sei "verstörend", dass Liu keine angemessene medizinische Behandlung bekommen habe. Human Rights Watch prangert die "Schonungslosigkeit" Pekings an.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.