Die Lehren aus dem Bawag-Verfahren

Wer hat wen übertrumpft? Helmut Elsner, Johann Zwettler, Claudia Bandion-Ortner, Wolfgang Flöttl und der damalige Staatsanwalt, Georg Krakow (v. l.).
Wer hat wen übertrumpft? Helmut Elsner, Johann Zwettler, Claudia Bandion-Ortner, Wolfgang Flöttl und der damalige Staatsanwalt, Georg Krakow (v. l.).(c) ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com (ROLAND SCHLAGER)
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Vor exakt zehn Jahren, am 16. Juli 2007, begann der bisher größte Prozess der österreichischen Justizgeschichte. Ex-Bawag-General Helmut Elsner wurde zur Höchststrafe verurteilt. Noch immer hofft er auf Rehabilitierung.

Helmut Elsner geht voraus. Hintennach kommen ,seine‘ Justizwachebeamten. Mit erhabenem Gestus und sonorer Stimme, ruhig, nicht gebeugt, begrüßt Helmut Elsner seine acht Mitangeklagten, die er lang nicht gesehen hat, mit Handschlag. Dabei ist er seinen Bewachern immer einen Schritt voraus, der 72-jährige Ex-Bawag-General, U-Häftling und Hauptangeklagte.“

Mit diesen Worten begann die am 16. Juli 2007 verfasste Titelgeschichte der „Presse“. Heute, Sonntag, auf den Tag genau vor zehn Jahren, ging also in Wien unter riesengroßem öffentlichen Interesse der Auftakt des Bawag-Prozesses über die Bühne. Und das bei gut 30 Grad Celsius – in einem Gerichtssaal ohne Klimaanlage.

Was blieb von dem Wirtschaftsstrafverfahren, das mit unglaublichen 117 Verhandlungstagen viel länger gedauert hatte, als geplant? Was tut Helmut Elsner ein Jahrzehnt später? Was wurde aus Claudia Bandion-Ortner, der damals prominentesten Richterin des Landes und nachmaligen Justizministerin? Und welche Lehren lassen sich aus der Verhandlung um die katastrophal schiefgelaufenen Milliardenspekulationsgeschäfte der ehemaligen Gewerkschaftsbank Bawag ziehen?

Wegen Untreue zulasten der Bawag mit einem astronomisch anmutenden Schaden von 1,4 Milliarden Euro hat der streitbare Helmut Elsner die Höchststrafe, zehn Jahre Freiheitsentzug, bekommen. Viereinhalb Jahre, den Großteil davon in U-Haft, musste der heute 82-Jährige tatsächlich hinter Gittern bleiben, ehe er im Sommer 2011 wegen Herzproblemen als vollzugsuntauglich freigelassen wurde.

Worüber man noch heute staunt: Von den damals neun Angeklagten war Elsner der einzige, der je in Haft kam. Jener Mann, der das viele Geld bei Devisenspekulationen via Karibik-Firmen verspielt hatte, Wolfgang Flöttl, wurde vom Untreuevorwurf freigesprochen. Andere Angeklagte auch – bis auf Ex-Bawag-Boss Johann Zwettler, aber dieser war von Anfang an nicht haftfähig.

Flöttl also. Der Investmentbanker mit Wohnsitz in New York City habe ja nicht wissen können, dass ihm Elsner das Bankgeld gar nicht überlassen durfte – so argumentierte das Gericht. „Ein Witz, eine Farce“, kommentierte Elsner. Und: Flöttl habe das Geld gar nicht verspekuliert, er habe es selbst eingesteckt. Flöttl bestreitet das entschieden.

Wo ist das Geld? Bis heute wurde nicht umfassend nachgeforscht, welche Wege das Geld genommen hat. Das liegt aber auch an der Natur der damaligen Anklage: Beim Vorwurf „Untreue“ muss nur geprüft werden, ob eine Befugnis wissentlich missbraucht wurde, nicht, wo die abgezweigten Vermögenswerte gelandet sind. Hätte die Anklage auf Betrug gelautet, hätte man der Spur des Geldes folgen müssen.

Und heute? Noch immer kämpft Elsner um seinen Ruf. Er will, dass das Bawag-Verfahren neu aufgenommen wird. Seinen bisher letzten Rückschlag musste der ehemalige Bankboss mit Exilwohnsitz im bayrischen Bad Reichenhall am 15. Dezember 2016 einstecken. Nämlich als das Straflandesgericht Wien seinen Wiederaufnahmeantrag ablehnte.

Es wäre nicht Elsner, hätte er nicht postwendend eine Beschwerde gegen diesen Beschluss eingebracht. Seit Februar 2017 liegt diese beim Oberlandesgericht Wien. Wie lang noch? Das weiß niemand. Elsner hat in einem „Profil“-Interview vom Jänner einen dunklen Verdacht geäußert: „Die warten auf meinen Tod.“

Indes wird nun auch sein Haus an der Côte d'Azur versteigert. Dieses gehört der von ihm errichteten – nunmehr insolventen – Gambit-Privatstiftung, in die auch ein Großteil der 6,8-Millionen-Euro-Abfindung aus seiner Banktätigkeit geflossen ist. Hinter diesem – aus Elsners Sicht – Ungemach steckt die Bawag. Die Bank hat unter anderem ein Zehn-Millionen-Euro-Schadenersatzverfahren gegen Elsner gewonnen. Und will Geld sehen.

Die seinerzeitige Richterin der frankophilen Ex-Generalsdirektors, Claudia Bandion-Ortner, blickt heute wegen „ihres“ Bawag-Verfahrens auf eine karrieremäßige Berg- und Talfahrt zurück. Kaum war der Bawag-Prozess zu Ende, das Urteil war noch gar nicht schriftlich ausgefertigt, empfing sie Rufe aus der Politik. Per ÖVP-Ticket wurde sie Justizministerin. Nach nur zweieinviertel Jahren musste sie als glücklose Quereinsteigerin im Rahmen einer Regierungsumbildung weichen. Sie wurde wieder Richterin. Aber keine Wirtschaftsrichterin mehr. Eine eher unauffällige „allgemeine Abteilung“ ist es geworden.

Mancher Kommentator belächelte ihren Ausflug in die Politik. Sie selbst blickt im „Presse“-Gespräch selbstbewusst zurück: „Ich habe etliche Gesetze auf den Weg gebracht. Etwa das zur eingetragenen Partnerschaft, die Insolvenzrechtsreform, eine Reform der Laiengerichtsbarkeit, um nur einige zu nennen.“ Ihr Resümee: „Ich bereue die Zeit in der Politik nicht. Es war eine Erfahrung für mein Leben.“

Dass das Begriffspaar „Bawag-Prozess“ und „Politik“ nicht gar so absurd ist, zeigt eine andere Karriere. Jener Topjurist, der einst im Verfahren als Vertreter der Bawag aufgetreten ist und später Bandion-Ortner in Schutz genommen hat, als deren erstinstanzliches Urteil vom OGH zum Teil aufgehoben wurde, ist mittlerweile Vizekanzler und Justizminister: Wolfgang Brandstetter. Noch heute finden sich auf der Ministeriums-Website seine dem ORF-Radio damals anvertrauten Zitate in Sachen Bawag. Dies unter dem nicht ganz korrekten Titel „Brandstätter (sic!) im Mittagsjounal.“

Gericht

Bawag. Geradezu monströse Ausmaße hatte das vor genau einem Jahrzehnt begonnene, politisch brisante Verfahren um die damalige Gewerkschaftsbank Bawag angenommen. Erst im März 2013 wurden die Urteile rechtskräftig. Ex-Bawag-Vorstände, der mittlerweile verstorbene Ex-Bawag-Aufsichtsratschef, ein Bilanzprüfer sowie der Spekulant Wolfgang Flöttl kamen mit Freisprüchen bzw. großteils milden Urteilen davon. Nur Ex-Bawag-Chef Helmut Elsner bekam die volle Härte der Justiz zu spüren.

Rüsten für „Buwog“.Im selben Saal, dem Großen Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien, soll Ende November der Buwog-Prozess um Karl-Heinz Grasser und Co. starten. Diese wohl noch langwierigere Verhandlung wird locker bis Sommer 2018 dauern. Dieser Sommer ist aus einem ganz banalen Grund heute schon ein Thema: Im Saal gibt es keine Klimaanlage. Darunter hatten schon vor zehn Jahren die Bawag-Angeklagten arg gelitten. Daher soll vor Start des Buwog-Prozesses zumindest eine provisorische Klimaanlage installiert werden. So kann der Sommer 2018 ruhig kommen . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2017)

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