Frauen-EM: Im Kopf liegt das Puzzleteil zum Erfolg

FUSSBALL FRAUEN-EM ´WEURO 2017´: TRAINING …STERREICH
FUSSBALL FRAUEN-EM ´WEURO 2017´: TRAINING …STERREICH(c) APA/HANS PUNZ
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Unaufgeregt und fokussiert bereitet sich Österreich auf das zweite Gruppenspiel gegen Frankreich am Samstag vor. Sportpsychologin Mirjam Wolf hat wesentlichen Anteil am abgeklärten Auftreten der ÖFB-Mannschaft.

So groß wie nach dem EM-Auftaktsieg gegen die Schweiz war die Aufmerksamkeit für Frauenfußball in Österreich noch nie. Satiriker verkündeten nach dem 1:0 sogar die vollständige Streichung der Söhne aus der Hymne, Memes in allen Variationen fluteten soziale Netzwerke. Gleich im ersten EM-Auftritt haben die ÖFB-Frauen die Gesamtausbeute der Männer von zwei Punkten in sechs Spielen übertroffen, so die spottende Kernaussage. Das Team selbst will sich auf den Vergleich der Geschlechter nicht einlassen, wie Nina Burger betont: „Das ist unser Turnier.“

Die gestiegene Wahrnehmung möchte das Nationalteam aber für weitere Eigenwerbung nützen und im zweiten Spiel gegen Frankreich am Samstag in Utrecht (20.45 Uhr, live, ORF eins) an den gelungenen Auftakt anschließen. Die starke Leistung gegen die Schweiz macht für das Duell gegen die Nummer drei der Welt Mut, lässt jedoch keine Spur von Übermut aufkommen. „Wir haben uns eine gute Ausgangslage erarbeitet, aber wenn wir die nächsten zwei Spiele verlieren, hat uns der Sieg gar nichts gebracht. Insofern gibt es noch gar keinen Grund abzuheben“, erklärte Laura Feiersinger.

Bodenhaftung, Selbstreflexion und Entwicklung von mentalen Kompetenzen werden im Frauennationalteam großgeschrieben, es ist das Ergebnis der konsequenten sportpsychologischen Begleitung der Mannschaft. Als eine der ersten Amtshandlungen hat Teamchef Dominik Thalhammer im April 2011 mit Mirjam Wolf eine Sportpsychologin eingestellt und damit das im Männerbereich bereits etablierte Modell des Mentaltrainings übernommen. Die Pitztalerin arbeitet über die sportpsychologische Koordinationsstelle des Landes Tirol mit Athleten aus verschiedenen Disziplinen zusammen. „Im Fußball ist die Mannschaftsfindung sehr wichtig. Das ist ein langer Prozess – und sollte auch ein stetig wachsender bleiben. Einmal Teambuilding zu machen genügt nicht, es bedarf ständiger Arbeit“, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Für Frauen – nicht nur im Fußball – sei das soziale Gefüge im Vergleich zu Männern noch wichtiger. „Wenn die Harmonie passt, sind sie bereit, maximale Leistung zu bringen.“

Kein allgemein gültiges Rezept

Der abgeklärte Auftritt gegen die Schweiz war für Wolf quasi der Nachweis der erzielten Fortschritte. „Die Spielerinnen haben es trotz allem rund um sie geschafft, ihre Handlungen abzurufen und keine Nervosität aufkommen zu lassen“, resümiert die Sportpsychologin. Die auffallend nüchterne Einordnung der eigenen Leistungen resultiert für Wolf aus dem auch von Thalhammer betonten prozessorientierten Denken. „Natürlich zählen Ergebnisse, aber eben auch zu wissen: was ist mein Ist-Zustand, um Aufgaben bewältigen zu können. Diese Mischung gelingt uns deshalb so gut, weil Betreuer und Trainer das vorleben.“ Das eine allgemein gültige Rezept zum Erfolg gibt es freilich nicht, die mentalen Aspekte seien nur ein Puzzleteil im Gesamtgefüge. „Es ist ein dauerndes Beobachten, Analysieren, Reflektieren und Entsprechende-Schritte-Setzen.“

Die Grundlage für erfolgreiches Arbeiten liegt für Wolf im Vertrauen jeder einzelnen Spielerin. „Das ist der Schlüssel, sie müssen darauf vertrauen, dass ich ihnen helfende Werkzeuge mitgeben kann“, betont sie. Wie die meisten im Nationalteam hat auch Torhüterin Manuela Zinsberger über die ÖFB-Auswahlen mit Mentaltraining begonnen. Für die Bayern-Legionärin, 21, ist der Effekt deutlich spürbar: „Egal, ob bei Flanken, Abstößen oder in 1:1-Situationen, wenn man sich auf bestimmte Punkte fokussiert, kann man noch fünf Prozent mehr rausholen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2017)

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