Kain und Abel im Weißen Haus: Stabschef muss gehen

Anthony Scaramucci dominierte eine Woche nach seinem Amtsantritt als Kommunikationschef im Weißen Haus schon wieder die Schlagzeilen. Dabei sollte er eigentlich Ruhe in das Trump-Team bringen. Wortreich entschuldigte er sich für seine derbe Sprache.
Anthony Scaramucci dominierte eine Woche nach seinem Amtsantritt als Kommunikationschef im Weißen Haus schon wieder die Schlagzeilen. Dabei sollte er eigentlich Ruhe in das Trump-Team bringen. Wortreich entschuldigte er sich für seine derbe Sprache.(c) Getty
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Anthony Scaramucci sollte das Chaos im Trump-Team beenden. Stattdessen ist der Machtkampf neu entbrannt. Stabschef Reince Priebus hat diesen verloren.

Wien/Washington. Bis tief in die Nacht hatten die Senatoren debattiert. Sie hatten die Sanktionen gegen Moskau wegen der Vorwürfe um die russischen Wahlkampfmanipulationen verschärft und eine neue Version der Republikaner zur teilweisen Aufhebung von „Obamacare“ niedergeschmettert – mit den Stimmen dreier republikanischer Überläufer, darunter jener von John McCain, dem von einer Krebsoperation nach Washington zurückgekehrten Polit-Veteranen.

Am Morgen danach dominierten indes nur ein Mann, ein Thema und nicht druckreife Verbalinjurien die Nachrichtensendungen in den USA: Anthony Scaramucci, „The Mooch“ (Der Schnorrer), wie er sich auch selbst in der dritten Person bezeichnet, und seine vulgäre Schimpforgie gegen Kollegen in einem Telefonat gegenüber Ryan Lizza, einem Reporter des „New Yorker“. Der 53-jährige New Yorker, ein früherer Wall-Street-Banker, ist erst seit einer Woche als Kommunikationschef im Amt, und doch haben Mitarbeiter dem schillernden Scaramucci in Anspielung auf sein Ego und seine Körpergröße bereits ein neues Attribut verpasst: das „Mini-Ich“. So kolportiert es die „New York Times“.

Widerstand gegen „The Mooch“

Sean Spicer, der in der Vorwoche abrupt zurückgetretene Pressesprecher, hatte vor der Beförderung Scaramuccis in eine Schlüsselposition eindringlich gewarnt. Der Ex-Investor würde das Chaos im Weißen Haus nur vergrößern, mahnte er – und sollte vorerst recht behalten. Stabschef Reince Priebus und Chefstratege Stephen Bannon, nicht immer handelseins, hatten sich mit Händen und Füßen gegen dessen Engagement gewehrt.

Der Machtkampf, das Buhlen um Einfluss auf den Präsidenten und sein Wohlwollen, ist schon nach wenigen Tagen voll ausgebrochen. In einem CNN-Interview hat Scaramucci das Verhältnis zu Priebus als das zweier feindlicher Brüder charakterisiert, wie jenes zwischen Kain und Abel. Seither fragt sich Washington, wer Kain ist und wer Abel, wer also wen totschlägt. Am Freitagabend war es klar: Trump verkündete via Twitter, dass er den Stabschef auswechselt. John Kelly soll übernehmen. Allgemein gilt: Wer Opfer von Trumps Hohns wird, sollte sich besser in Acht nehmen. Dies hatte zuletzt Sean Spicer erlebt, ein Gewährsmann von Reince Priebus.

Auf Twitter dokumentierte Scaramucci mit Fotos die Nähe zum Präsidenten und die neue Macht: an Bord der Air Force One, neben den neuen Kollegen des Presseteams, nicht zuletzt die auf seinen Namen ausgestellte Einladung.

Politische Seifenoper

Just via Twitter trug er jetzt auch die jüngste Kontroverse aus. Ryan Lizza vom „New Yorker“ hatte Wind von einem Dinner am Mittwoch im Weißen Haus bekommen, zu dem Fox-News-Moderator und Trump-Vertrauter Sean Hannity geladen war. Prompt rief Scaramucci Lizza an, um ihm die Quelle für seine Insider-Story zu entlocken. Lizza hielt sich bedeckt, doch der Kommunikationschef steigerte sich in seiner Rage in eine derbe Suada hinein, die selbst einen hartgesottenen Reporter schockierte – was ihn indessen nicht hinderte, sie via Twitter preiszugeben. Hernach machte Lizza die Runde in den obligaten News-Shows.

Er werde jeden feuern, der Interna nach außen trage, wettert Scaramucci seit Tagen. Auf der Jagd nach der undichten Stelle im Weißen Haus verdächtigt er den Stabschef, hinter den Enthüllungen zu stecken, die Trump und sein Team seit dem ersten Tag bloßstellen. Priebus sei nichts weiter als „verdammter, paranoider Schizophrener“, schrie er ins Telefon. Er werde seinen Job verlieren, orakelte er. Noch ausfälliger wurde er gegen Stephen Bannon, die graue Eminenz, Trumps Wahlkampfmanager und Ex-Chef der ultrarechten Website „Breitbart News“.

Scaramucci bedient sich – à la Trump – einer kraftvollen Sprache, wie er sich nun entschuldigte. „Mein Fehler war es, einem Reporter zu vertrauen.“ Die Reality-Show im Weißen Haus, die politische Seifenoper, wird wohl noch lange nicht abreißen – und sie wird selbst nach dem Abgang der Kultfigur Sean Spicer für Stephen Colberts Cartoon-Serie und die Late-Night-Shows Material zuhauf liefern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2017)

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