Die ÖFB-Frauen beeindruckten beim Viertelfinalsieg gegen Spanien mit mentaler Stärke, vor dem Elferschießen lief sogar der Schmäh. Schnaderbeck: „Was wir abrufen, ist auch nicht üblich.“
Tilburg/Wien. Österreichs Frauen-Fußballnationalteam bleibt bei der EM-Endrunde in den Niederlanden die Mannschaft der Stunde. Mit einem 5:3-Erfolg im Elfmeterschießen gegen Spanien (0:0 nach Verlängerung) lieferten die ÖFB-Frauen den nächsten Coup und spielen sensationell am Donnerstag (18 Uhr, live ORF eins) gegen Dänemark um den Einzug ins Finale. „Deutschland, Schweden, Frankreich und Spanien sind abgereist, und wir sind noch immer hier. Das ist einfach unglaublich“, frohlockte Teamchef Dominik Thalhammer.
Österreich überzeugte im Viertelfinale einmal mehr mit einer hoch konzentrierten und disziplinierten Abwehrleistung über 120 intensive Minuten, in denen Spanien wie erwartet mehr Ballbesitz (63:37) und Spielanteile (733:261 Pässe) hatte, sich jedoch kaum eine echte Chance erarbeiten konnte. „Wir haben wieder bewiesen, wie stark wir in der Defensive arbeiten – von der Stürmerin bis zur Torfrau“, sagte Kapitänin Viktoria Schnaderbeck, die erstmals im Turnier gemeinsam mit Carina Wenninger die Stamminnenverteidigung bildete. „Wir haben wenig Chancen und erst ein Tor zugelassen, das ist Europaklasse und rechtfertigt das Erreichte voll und ganz“, lobte Thalhammer.
Immerhin haben die Ibererinnen nach einer makellosen EM-Qualifikation (Torverhältnis 39:2) in den Niederlanden zum Favoritenkreis gezählt. „Jeder Gegner wird es schwer haben, gegen Österreich zu treffen. Sie haben ihren eigenen Stil und damit Erfolg“, warnte der spanische Teamchef, Jorge Vilda, die noch verbliebenen Mannschaften.
Allein, die Österreicherinnen entschieden die Partie nicht allein mit fußballerischen Qualitäten auf dem Rasen, sondern insbesondere mit ihrer mentalen Einstellung. Während bei Spanien Frustration und Ratlosigkeit mit jeder Minute größer wurden, wuchs im ÖFB-Team das Selbstvertrauen. „Wir haben gemerkt, dass wir das aushalten und sind immer stabiler geworden. Vielleicht sind die Spanierinnen daran zerbrochen“, erklärte Schnaderbeck.
Eiskalt ohne Penalty-Training
Das beeindruckende Selbstverständnis der Mannschaft offenbarte sich in den Szenen unmittelbar vor dem Elfmeterschießen. Statt bange Blicke auszutauschen, wurde locker im Kreis gescherzt – womöglich die bezeichnendste Erklärung für den aktuellen Erfolgslauf. „Lachen ist bei Elfmetern nicht üblich, aber was wir abrufen, ist es auch nicht“, meinte Schnaderbeck.
Die punktgenaue Einstellung resultiert aus der Zusammenarbeit mit Sportpsychologin Mirjam Wolf. So wurden im Vorfeld keine Penaltys trainiert, sondern für jede Spielerin ein individueller Plan, der auch Elfmeterschießen umfasst, erstellt, um in Drucksituationen die eigene Leistung abzurufen. Das Resultat waren fünf souverän verwertete Versuche von Laura Feiersinger, Nina Burger, Verena Aschauer, der erst 18-jährigen Viktoria Pinther und Sarah Puntigam. Und es hätten sich noch mehr Spielerinnen gemeldet, doch Torhüterin Manuela Zinsberger sorgte mit einer Parade gegen Silvia Meseguer für die Entscheidung.
Die Freude trübte einzig die Verletzung von Lisa Makas. Die Duisburg-Legionärin erlitt ohne Fremdeinwirkung neuerlich einen Kreuzbandriss, ihr bereits dritter binnen zwei Jahren. „Das ist sehr bitter für sie und uns, weil sie sich unglaublich zurückgekämpft hat“, sagte Thalhammer. Sonstige kleinere Blessuren werden in den kommenden Tagen gepflegt, der intensive Spielstil fordert zwar seinen Tribut, ist für Schnaderbeck und Kolleginnen aber keine Ausrede: „Wir werden und müssen über unsere Grenzen gehen. Wenn man den inneren Schweinehund überwinden muss, dann ist das eben so. So oft spielt man nicht ein EM-Halbfinale.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2017)