Schlagabtausch um die Polizei

Kanzler Kern ortet beim Bundesheer volle Motivation – und wünscht sich das auch für die Polizei. Die ÖVP sieht einen „schäbigen Angriff“ auf die Polizisten.
Kanzler Kern ortet beim Bundesheer volle Motivation – und wünscht sich das auch für die Polizei. Die ÖVP sieht einen „schäbigen Angriff“ auf die Polizisten.(c) Clemens Fabry
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Bundeskanzler Kern (SPÖ) kritisiert, dass Innenminister Sobotka (ÖVP) die Polizei schlecht manage. Dieser schießt zurück und ortet eine Herabwürdigung der Polizisten.

Wien. Der Vorwahlkampf ist um ein Thema reicher: die Polizei. Mit seinem Vorwurf, dass Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Polizei schlecht manage, hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) einen veritablen Schlagabtausch zwischen Rot und Schwarz ausgelöst.

Kern hat die Zustände bei der Polizei unter Sobotka kritisiert. „Wenn ich mir anschaue, wie krass unterbesetzt die Polizei ist, wie die Überstunden explodieren und wie es nicht gelingt, Planstellen zu besetzen, dann haben wir dort ein Problem“, teilte der Kanzler im Interview mit „Österreich“ aus. Dass man Hunderte Planstellen genehmige, aber die Polizisten nicht auf der Straße seien, weil Aufnahmeprozesse nicht funktionierten, gehe nicht. Kern plädierte dafür, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) aufzuwerten.

„Unglaubliche Entgleisung“

Die Vorwürfe will sich der Innenminister nicht gefallen lassen. Er schießt zurück und fordert eine Entschuldigung vom Bundeskanzler. Dass Kern den Polizisten vorwerfe, nicht motiviert zu sein, „halte ich für eine unglaubliche Entgleisung und einen absoluten Tiefpunkt“, sagte er. Grund für den Ärger ist ein Argument Kerns für die Aufwertung des Verteidigungsministers: Bei seiner Stippvisite in Salzburg habe er gesehen, „wie voll motiviert die Bundesheertruppe ist, und das wünsche ich mir auch für den Polizeiapparat“.

Überhaupt zeigte sich Sobotka verwundert, dass Kern „schon vor der Wahl Posten auf dem Reißbrett vergeben möchte“. Und wenn dem Bundeskanzler die Sicherheit des Landes ein Anliegen sei, dann könne er das ja gleich mit einem „klaren Bekenntnis“ zum Sicherheitspaket unter Beweis stellen, dessen Entwurf die SPÖ zuletzt ablehnte.

Die Kritik an der Unterbesetzung und nicht funktionierenden Aufnahmeprozessen bei der Polizei wies Sobotka zurück: „Eine unmittelbare Vollbesetzung durch die Polizei ist nach dem derzeit durch das Bundeskanzleramt vorgegebenen System leider denkunmöglich.“ Erst wenn eine Planstelle geschaffen worden sei, könne auch ein dafür infrage kommender Polizeischüler aufgenommen werden. Eine qualitativ hochwertige Polizeiausbildung dauere aber nun einmal 24 Monate. Die Polizeischulen seien voll besetzt. Die Aufnahmeoffensive müsse aber über das Jahr 2019 hinaus fortgesetzt werden.

Von „Crashkurs“ bis „Posse“

Nichtsdestoweniger warfen weitere SPÖ-Politiker Sobotka am Sonntag abermals „Missmanagement“ und einen „Crashkurs“ vor. Die ÖVP versuche, „über Sobotkas katastrophale Bilanz hinwegzutäuschen“, meinte Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Der Innenminister drohe, „die Sicherheitsinfrastruktur in Österreich gegen die Wand zu fahren“, sagte der niederösterreichische SPÖ-Chef, Franz Schnabl. Die Kärntner SPÖ forderte, die dortige Personallücke von 300 Polizeibeamten rasch zu schließen. In ganz Österreich würden sogar 2500 Polizisten fehlen.

In der ÖVP schoss man sich inzwischen auf den Kanzler ein – vor allem wegen der Aussage zur Motivation. Das sei „eine Verfehlung, die ihresgleichen sucht und die ich in der Form so noch nicht gehört habe“, kritisierte der Tiroler Landeschef, Günther Platter. „Schäbig und unzulässig“ findet sie der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel. Generalsekretärin Elisabeth Köstinger meinte, es zeuge „von altem Stil, wenn Kern Posten und Ämter verteilt, bevor gewählt wird“. Dass der Kanzler quasi die Agenden des Innenressorts für sich beanspruche, sei „überheblich“.

Wie die geforderte Aufwertung des Verteidigungsministers konkret aussehen soll, hat die SPÖ offen lassen. Doskozil solle jedenfalls größeres Pouvoir bekommen, etwa in Migrationsfragen. Dass er dort die gesamte Zuständigkeit bekommen soll, hat Kern schon zuvor gefordert. Polizei und Bundesheer in einem Ministerium zu fusionieren, habe man allerdings nicht vor. Denkbar ist, dass die SPÖ das Innenressort für sich beansprucht.

Die FPÖ klinkte sich am Sonntag ebenfalls ein: Der blaue Vizechef, Norbert Hofer, warf der Regierung eine „Wahlkampfposse“ vor. Er habe in der Diskussion keinen sachdienlichen Vorschlag vernommen und hoffe, dass diese Posse bald beendet werde. (APA/red.)

AUF EINEN BLICK

Die Zustände bei der Polizei unter Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) kritisierte Kanzler Christian Kern. Die Polizei sei unterbesetzt, die Überstunden würden explodieren, es würde nicht gelingen, Planstellen zu besetzen. Der Innenminister kontert: Eine unmittelbare Vollbesetzung sei wegen des durch das Bundeskanzleramt vorgegebenen Systems denkunmöglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2017)

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