Brasiliens Präsident musste um Amt bangen

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Michel Temer sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Abgeordnete berieten über das weitere Schicksal des Staatsoberhaupts.

Brasilia. Knapp ein Jahr ist es her, seit die brasilianische Staatspräsidentin, Dilma Rousseff, wegen Manipulation der Staatsfinanzen ihres Amtes enthoben wurde – und vor demselben Schicksal zitterte nun auch ihr Nachfolger, Michel Temer: Brasiliens Staatsoberhaupt drohte nämlich ein Gerichtsverfahren wegen Korruptionsvorwürfen. Am gestrigen Mittwoch kam in Brasilia das Abgeordnetenhaus zusammen, um über das Schicksal Temers zu befinden.

Für ein Gerichtsverfahren gegen den Staatschef mussten zwei Drittel der Abgeordneten gegen den Präsidenten stimmen und bei dem Votum mindestens 342 der insgesamt 513 Mandatare anwesend sein. Der Oberste Gerichtshof ist als einziges Justizorgan dazu berechtigt, ein Verfahren gegen das amtierende Staatsoberhaupt zu eröffnen.

Temer zeigte sich optimistisch

Der Präsident selbst zeigte sich am Mittwoch nach Angaben der Tageszeitung „O Globo“ zunächst aber sehr zuversichtlich, genug Abgeordnete von seiner Sicht der Dinge überzeugt zu haben, um die für die Suspendierung benötigte Zweidrittelmehrheit (bzw. das Mindestquorum von 342 Anwesenden) zu verhindern.

Geld vom Fleischer

Dreh- und Angelpunkt der Affäre um Präsident Temer ist Joesley Batista, der ehemalige Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Fleischverarbeitungskonzerns, JBS.

Der brasilianische Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot beschuldigt Temer, Schmiergeldzahlungen akzeptiert und im Gegenzug zugunsten des Unternehmens bei der brasilianischen Wettbewerbsbehörde interveniert zu haben. Der Ex-JBS-Chef hat in der Zwischenzeit die Seiten gewechselt und den Behörden den Mitschnitt eines Gesprächs mit Temer übergeben, in dem es unter anderem um Bestechungsgelder gehen soll. Der Präsident streitet die Vorwürfe ab.

Auf eine breite Unterstützung seitens der brasilianischen Wählerschaft braucht Temer übrigens nicht zu zählen – dazu ist er aufgrund seines Sanierungsplans für den Staatshaushalt zu unbeliebt.

Von seiner glücklosen sozialdemokratischen Vorgängerin Rousseff hat der Zentrumspolitiker Temer ein tiefrotes Budget geerbt, die Neuverschuldung des brasilianischen Staates lag im Jahr 2016 bei 7,5 Prozent des BIPs – nach minus zehn Prozent im Jahr davor.

Verschärft wird die Lage durch die Tatsache, dass Brasilien die vergangenen beiden Jahre in einer tiefen Rezession verbracht hat – heuer soll es in dem lateinamerikanischen Land nach Prognosen des IWF ein bescheidenes Wachstum von 0,3 BIP-Prozent geben.

Steuererhöhung geplant

Um das Ruder herumzureißen, schnürte der Präsident ein Spar- und Steuerpaket. Der Anteil der Staatsausgaben an der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes soll gegenüber dem Vorjahr um einen Prozentpunkt auf knapp 41 Prozent sinken. Zu den angedachten Sanierungsmaßnahmen gehört auch eine Anhebung der Mineralölsteuer.

Dass die Pläne auf wenig Gegenliebe stoßen, liegt auf der Hand – in einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CNI-Ibope gaben nur fünf Prozent der befragten Brasilianer an, mit der Arbeit der Regierung zufrieden zu sein. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2017)

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