„Stille-Nacht-Land“.: Großes Dolbyweihnachtskino

(c) AP (Winfried Rothermel)
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Ein Dichter-Priester und ein Lehrer-Komponist schufen den größten Weihnachtshit seit Menschengedenken. Eine Wanderung auf den Spuren des Geistlichen und des Pädagogen.

Seit „Stille Nacht, heilige Nacht“ im Vorjahr 190 Jahre jung wurde, begibt sich das Salzburger Land auf Spurensuche: Sechs Ortschaften, darunter auch die Salzachstadt selbst, erzählen die Geschichte von Joseph Mohr, dem Pfarrer und Dichter, und Franz Xaver Gruber, dem Lehrer und Komponisten, die gemeinsam den wohl größten Weihnachtswelthit schrieben.

Warum dieses Lied, das nie als Gassenhauer gedacht war, uns allen so nahegeht, uns so vertraut geworden ist wie der Duft von Vanillekipferl, wie Lamettaknistern und Kerzengefunkel, kann man nur vermuten; eine einfache Melodie, ein schlichter Text, eine Friedensbotschaft für Herz und Hirn – großes Weihnachtskino sozusagen, bei dem jeder auch einmal gerührt sein darf, ohne lächerlich zu wirken. Gefühlsduselei ohne jeden Kitsch – ein musikalisches Kunstwerk, so selten und einprägsam, wie Besonderes eben ist.

Sieben Orte erzählen

Der Legende nach war am Weihnachtsabend 1818 die defekte Orgel in der Oberndorfer Nikolai-Kirche der Grund, warum Joseph Moor schnell einen Musiker brauchte, um doch noch eine Melodie für die Christmette zu finden. Franz Xaver Gruber war als Lehrer in der Nachbargemeinde tätig und hatte schon zwei Jahre zuvor von Mohr ein Weihnachtsgedicht erhalten mit der Bitte, es schlicht und stimmungsvoll zu vertonen; für zwei Solostimmen, Chor und Gitarrenbegleitung.

Gruber setzte sich hin und verfasste in wenigen Stunden seine berühmte Melodie, die den damals bitterarmen Menschen Trost spenden sollte. Mohr sang Tenor und spielte Gitarre, Gruber sang Bass. Niemand konnte ahnen, dass das Lied 200 Jahre später in 330 Sprachen auf der ganzen Welt gesungen werden würde.

Salzburg, Mariapfarr

Die Stille-Nacht-Reise beginnt man zum Beispiel in Salzburg in der Steingasse am Fuß des Kapuzinerbergs. Joseph Franziskus Mohr wurde hier 1792 geboren, vaterlos und in tristen Verhältnissen. Da er mit einer schönen Stimme gesegnet war, fand er Aufnahme im Chor St.Peter. Er besuchte das Akademische Gymnasium und wurde Priester. 1815 wurde er ins damals entlegene Mariapfarr im Lungau versetzt, wo er 1816 den Stille-Nacht-Text verfasste. Im heute immer noch entrischen Lungau dokumentiert das Pfarr- und Wallfahrtsmuseum und das Stille-Nacht-Museum Joseph Mohrs Leben; eine prächtige Weihnachtskrippe in der „Mohr- Stube“ verzaubert mit über 100 liebevoll restaurierten Figuren. Nach einer Krankheit übersiedelte Joseph Moor nach Oberndorf, wo sich seine und Grubers Wege kreuzten.

Hochburg, Oberndorf, Arnsdorf

In Oberndorf stand die berühmte Schifferkirche St. Nikolaus, in der das Lied zum ersten Mal gespielt wurde. Heute ist es eine Gedächtniskapelle, die zur Weihnachtszeit mit ihrem idyllischen Adventmarkt tausende Menschen aus aller Welt anlockt. Das Museum erzählt anhand zahlreicher Memorabilien die Geschichte des Liedes, am Postamt holt man sich den Sonderstempel für die Weihnachtspost. Moor wurde als Priester immer wieder versetzt und landete schließlich 1837 in Wagrain, wo er 1848 verstarb und in einem Armengrab beigesetzt wurde. Heute besucht man dort die von ihm gegründete Volksschule und natürlich das inzwischen schön geschmückte Grab.

Franz Xaver Gruber wurde 1787 in Hochburg im oberösterreichischen Innviertel geboren. Das Dorf ehrt seinen Sohn mit einem überdachten Franz-Xaver-Gruber-Rundweg, der mit Skulpturen flankiert und 2012 fertig werden soll. Heuer erinnert Hochburg an Gruber mit dem Historienspiel „Die Suche nach der Stillen Nacht“ von Martin Winklbauer (Pfarrkirche, 11., 12., 13. Dez., 0049/1805/72 36 36). Der Hochburger bekam als Lehrer und Organist seine erste Stelle in Arnsdorf, indem er die Witwe seines dortigen Vorgängers heiratete. In Arnsdorf befindet sich das Franz-Gruber-Museum und das bis heute älteste Schulhaus der Welt, in dem Gruber 21 Jahre lang bis 1829 unterrichtete. Auch seine Wohnung im oberen Stockwerk kann besichtigt werden, die Klasse mit den alten Schulmöbeln und die Wallfahrtskirche mit ihrer Orgel. In Hallein verbrachte Gruber seine zweite Lebenshälfte; Wohnhaus, ein ganzer Stille-Nacht-Bezirk, das Museum, Mohrs Gitarre und Grubers letzte Ruhestätte zeugen davon. Das Lied wäre wohl nach seiner Uraufführung wieder in der Versenkung verschwunden, hätte es nicht der Orgelbauer Karl Mauracher mit ins Zillertal genommen, wo es Tiroler Sängergruppen in ihr Repertoire aufnahmen und zum Kassenschlager machten. 1839 reiste das Lied schon bis nach Amerika, Auswanderer und Missionare hatten es bis zur Jahrhundertwende in alle Kontinente exportiert. Heute ist es in aller Welt, von Alaska bis in die Südsee, die meistgesungene Weihnachtsbotschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2009)

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