Kenia: Odingas Spiel mit dem Feuer

Anhänger des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga protestieren in Mathare, Nairobi, gegen die Niederlage.
Anhänger des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga protestieren in Mathare, Nairobi, gegen die Niederlage.(c) APA/AFP/LUIS TATO (LUIS TATO)
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Laut ersten Ergebnissen hat Amtsinhaber Kenyatta die Präsidentenwahl klar gewonnen. Dessen Rivale Odinga spricht dagegen von Wahlbetrug. Die Angst vor einer Eskalation steigt.

Nairobi/Wien. Die ersten Teilergebnisse der Präsidentenwahl in Kenia deuteten auf ein klareres Ergebnis hin, als es die Umfragen vorausgesagt hatten: Nach fast 95 Prozent der ausgezählten Stimmen lag Amtsinhaber Uhuru Kenyatta mit gut 54 Prozent deutlich vor seinem Hauptkonkurrenten Raila Odinga, der laut Wahlkommission lediglich knapp 45 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Damit dürfte Kenyatta die Wahl schon im ersten Durchgang gewonnen haben. Doch Odinga weigerte sich, das Ergebnis anzuerkennen. Er sprach am Mittwoch von „massivem Wahlbetrug“.

Diese Zahlen, erklärte Odinga, „sind fiktiv, sie sind gefälscht“. Sie seien schlicht das „Werk eines Computers“ und spiegelten nicht den Willen der Wähler wieder. „Wir haben unsere eigenen Hochrechnungen von unseren Leuten, und die zeigen, dass wir weit vorne liegen“, fügte Odinga noch hinzu.

Ein folgenreicher Mord

Konkret vermutet der Oppositionspolitiker, dass sich Hacker Zugang zum elektronischen Wahlsystem verschafft haben – und zwar mit dem Zugangscode des vor wenigen Tagen ermordet aufgefundenen Chris Musando. Der stellvertretende Leiter der kenianischen Wahlkommission war von Unbekannten schwer gefoltert und dann getötet worden. Er war für jenes System zuständig, das Wähler zweifelsfrei identifizieren und Wahlbetrug verhindern sollte. Der Mord hatte den Verdacht der Opposition genährt, dass das Wahlergebnis zugunsten Kenyattas und seiner Jubilee-Partei manipuliert werden solle.

Nach der Wahl ist die Lage im Land stark angespannt. Alle Seiten befürchteten eine gewaltsame Eskalation auf den Straßen, sobald die Wahlkommission das endgültige Ergebnis verkündet – wie vor zehn Jahren, als bei blutigen Unruhen mehr als 1200 Menschen starben. Zwar rief der Oppositionsführer – wie auch sein Kandidat für das Vizepräsidentenamt, Kalonzo Muyoka – seine Anhänger zur Ruhe auf. Aber es klang halbherzig, denn er fügte hinzu: „Ich kontrolliere nicht das Volk.“

Ein Toter in Nairobi

Wie explosiv die Lage ist, zeigten bereits erste Zwischenfälle am Mittwoch. In Kisumu im Westen Kenias – einer Hochburg Odingas, wo dieser auch seine Pressekonferenz gab – demonstrierten Hunderte für ihren Kandidaten. Die überwiegend jungen Männer errichteten Barrikaden, zündeten Autoreifen an und bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinen. Die Polizei setzte zunächst Tränengas, dann scharfe Munition ein, um die Menge zu zerstreuen. In der Stadt waren Unruhen schon vor zehn Jahren eskaliert. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte einen Demonstranten mit den Worten: „Wenn Raila Odinga nicht Präsident ist, können wir keinen Frieden haben.“

Proteste gab es auch in Mahare in Nairobi, einer riesigen Slum-Siedlung am Rande der Hauptstadt. TV-Bilder zeigten Odinga-Anhänger brüllend und mit Stöcken und Schildern bewaffnet durch die Straßen marschieren. Bereitschaftspolizisten griffen ein, prügelten einige Männer mit Schlagstöcken. In Nairobi töteten Beamte nach Polizeiangaben zwei regierungskritische Demonstranten mit Schüssen, in der Stadt Hula im Südosten erschossen Polizisten zwei Menschen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen an einem Auszählungsbüro.

Die Wahlkommission rief die Bevölkerung auf, ruhig das Endresultat abzuwarten. Der Vorsitzende Wafula Chebukati versicherte, dass auch die Hacker-Vorwürfe geprüft würden. Man habe Vertrauen in das System, werde die Ergebnisse aber mit Bescheinigungen von Wahlbeobachtern abgleichen.

Dass schon im Verlauf des Mittwochs erste Unregelmäßigkeiten bekannt wurden, trug nicht zum Vertrauen in den Wahlprozess bei. Die Wahlkommission hob die Resultate in dem Wahlkreis Kilgoris im Westen des Landes auf, weil eine Prüfung mehr abgegebene Stimmen als registrierte Wähler ergeben hatte, wie die kenianische Zeitung „Daily Nation“ berichtete.

Die renommierte kenianische Menschenrechtskommission erklärte am Nachmittag, man habe beim Vergleich zwischen vorläufigen Teilergebnissen und den Bescheinigungen der Beobachter Abweichungen festgestellt.

Kein Zurück für Odinga

Umfragen gelten in Kenia selten als verlässlich. Viele hatten im Vorfeld aber ein Kopf-an-Kopf-Rennen prognostiziert. Oppositionsführer Odinga hatte schon Tage vor der Wahl angedeutet, dass er alles andere als einen Sieg nicht akzeptieren werde. „Es gibt für (Kenyattas Wahlbündnis) Jubilee keinen anderen Weg zu gewinnen als durch Manipulation – und sie wissen das“, hatte er in der vergangenen Woche erklärt. Nun ist es für ihn kaum möglich, eine Niederlage einfach anzuerkennen. (raa/ag.)

AUF EINEN BLICK

Der bisherige Staatschef von Kenia, Uhuru Kenyatta, ist den Ergebnissen der Wahlkommission zufolge bei der Präsidentenwahl am Dienstag wiedergewählt worden. Demnach kam Kenyatta auf gut 54 Prozent, sein Hauptkonkurrent Raila Odinga auf knapp 45 Prozent der Stimmen. Odinga kündigte in einer ersten Reaktion an, das Ergebnis nicht anerkennen zu wollen, und sprach von „massivem Wahlbetrug“. Die Wahlkommission will die Vorwürfe prüfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2017)

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