Macron im Stimmungstief

Nur noch 36 Prozent der Franzosen stehen hinter ihrem Präsidenten, Emmanuel Macron. Doch das kratzt vorerst nicht an seinem Selbstbewusstsein.
Nur noch 36 Prozent der Franzosen stehen hinter ihrem Präsidenten, Emmanuel Macron. Doch das kratzt vorerst nicht an seinem Selbstbewusstsein.(c) APA/AFP/POOL/ALAIN JOCARD
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Nach 100 Tagen im Amt hat ein Teil der Franzosen ihrem Präsidenten schon wieder die Gefolgschaft aufgekündigt. Schmerzhafte Reformen und Widersprüche lassen seine Popularität sinken.

Paris. Gewiss, die Stimmung im Land hat sich insgesamt aufgehellt. Im vergangenen Sommer noch hat der kollektive Aufbruch in die Ferien an eine Flucht vor der politischen Realität erinnert. Mit Frankreich, ja Europa, schien es wirtschaftlich und politisch bergab zu gehen. Der damalige Staatschef, François Hollande, galt als Verwalter eines unaufhaltsamen Niedergangs. Ermutigt vom Brexit frohlockten die Rechtspopulisten. Aber anstatt Marine Le Pen kam dann eben Emmanuel Macron an die Macht, mit dem Versprechen, Frankreich und Europa von Grund auf umzukrempeln.

An Nachweisen der Entschlossenheit hat es der neue Staatschef in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit nicht fehlen lassen. Als Göttervater Jupiter wird er gehandelt. Ob er nun dem russischen Staatschef, Wladimir Putin, in Versailles Paroli bot oder mit dem amerikanischen Präsidenten, Donald Trump, am Nationalfeiertag die Truppenparade abnahm – mit Macron an der Spitze hat sich Frankreich auf der internationalen Bühne selbstbewusst zurückgemeldet.

Fehlende politische Orientierung

Auch hat der Erneuerer im Eiltempo ein Gesetz durchs Parlament gebracht, das eine moralisch integre Politik gewährleisten soll und Volksvertretern die Beschäftigung von Familienangehörigen untersagt. Kurz vor den Ferien legte Macron noch einmal nach, überraschte mit weiteren innovativen Vorstößen. Die Einrichtung von Hotspots in Libyen kündigte er an, die Wirtschaftsflüchtlinge zurückhalten und nur politisch Verfolgte passieren lassen sollen. Es folgte die vorläufige Verstaatlichung der unter der Präsidentschaft Hollandes dem italienischen Konzern Fincantieri zugesagten Werft STX. „Ich löse das Flüchtlingsproblem in Afrika an Ort und Stelle“, sollte die erste Botschaft vermitteln, „ich sichere auch in Zeiten der Globalisierung französische Arbeitsplätze vor fremdem Zugriff“, die zweite.

Aber auch wenn sich die Stimmung im Vergleich zum vergangenen Sommer aufgehellt hat, gut ist sie nicht. Denn was eben noch als Macrons Stärke gegolten hat, die Unbekümmertheit eines weder Linken noch Rechten verpflichteten Pragmatikers erweist sich zunehmend als Schwäche. Die Franzosen beginnen, eine politische Linie zu vermissen, die Orientierung zu verlieren, und damit das Vertrauen in ihren Präsidenten.

Wie passt zusammen, dass Macron, eben noch überzeugter Europäer, die EU wie auch die vom Flüchtlingsandrang besonders betroffene römische Regierung mit der Ankündigung von Hotspots in Libyen ohne Absprache überrumpelt hat? Ganz zu schweigen davon, dass die Voraussetzungen für solche Erfassungsstellen im Bürgerkriegsland Libyen nicht gegeben sind, wie der Élysée kleinlaut einräumen musste. Und wieso „rettet“ Macron, eben noch ausgewiesener Gegner des Wirtschaftsprotektionismus, eine französische Werft vom Zugriff der italienischen Nachbarn?

Nach Blendwerk, Stückwerk sieht das aus. Kohärente Politik ist es nicht. Für die angekündigte Konsolidierung des Staatshaushalts gilt das Gleiche. Über einzelne, Freund und Feind überraschende Sparmaßnahmen, wie etwa die kürzlich angekündigte Reduzierung des Wohngelds um fünf Euro, ist das große Ganze aus dem Blick geraten. Die Franzosen spüren, dass sie Opfer erbringen sollen, wissen aber nicht recht, wozu eigentlich.

Ein jäher Absturz in den Beliebtheitsumfragen illustriert den Ernst der Lage. Binnen eines Monats ist die Zustimmung zu Macron um 20Punkte zurückgefallen: Auf 36Prozent Anhängerschaft bringt er es noch. Die geplante Flexibilisierung des Arbeitsmarkts dürfte den Rückhalt weiter schmälern. Die Reform, die am 31. August vorgestellt werden soll, erhöht die Einstellungschancen der Erwerbslosen, verringert zugleich aber auch den Kündigungsschutz der Beschäftigten. Gewiss, nach skandinavischem Vorbild will der Staat dafür sorgen, dass Entlassene dank hochwertiger Fortbildungsangebote schneller einen neuen Job finden und während der Suche finanziell besser abgesichert sind. Aber das kostet Geld. Und energisch sparen, das will Macron ja auch – noch so ein Widerspruch, der auszuräumen ist.

Treffen mit Kern in Salzburg

Am Mittwoch wird Macron in Salzburg auf Einladung von Bundeskanzler Christian Kern mit den Regierungschefs von Österreich, der Slowakei und Tschechien zusammentreffen. Kern und Macron wollen dabei über eine Reform der EU-Entsenderichtlinie beraten. Beiden ist das grenzüberschreitende Agieren von Unternehmen, die ihre Mitarbeiter zeitlich begrenzt in anderen EU-Ländern arbeiten lassen können, ein Dorn im Auge. Denn oft wird damit Billigkonkurrenz ins Land geholt. Obwohl sich der französische Präsident zu einer stärkeren europäischen Zusammenarbeit bekennt, liegen ihm auch hier nationale Interessen stärker am Herzen als das Zusammenwachsen der EU-Wirtschaft. Am Abend steht das Festspielkonzert mit Martha Argerich und Daniel Barenboim auf dem Programm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2017)

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