U-Boot-Krimi: „Mann ohne Stoppknopf“ ein Mörder?

Der dänische Erfinder Peter Madsen im Mai 2017 bei einem Auftritt im Rahmen des Danish Business Day.
Der dänische Erfinder Peter Madsen im Mai 2017 bei einem Auftritt im Rahmen des Danish Business Day.(c) REUTERS (SCANPIX DENMARK)
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Dänemarks berühmter Erfinder Peter Madsen gilt als hyperaktiv und streitbar, aber auch als genial und harmlos. Nun soll er in seinem U-Boot eine Journalistin zerstückelt haben.

Kopenhagen/Stockholm. Der rotblonde dänische Tüftler Peter Madsen ist wahrlich eine schillernde Person. Um das Wesen des schlanken 46-jährigen U-Boot- und Raketenbauers ranken sich unzählige Geschichten in Dänemark – vor allem, seit er jetzt verdächtigt wird, die schwedische Journalistin Kim Wall (30) vorige Woche in seinem selbstgebauten U-Boot Nautilus vor Kopenhagen getötet, zerstückelt und im Meer versenkt zu haben. Er selbst gab immerhin zu, sie nach einem angeblichen Unglück an Bord „im Meer bestattet“ zu haben.

Stets galt der Erfinder mit abgebrochenem Ingenieurstudium den Dänen als verrückter, aber sympathisch-genialer Typ wie die Comicfigur Daniel Düsentrieb. Ihn, der rhetorisch gut herüberkam und auch auf Englisch mit Fachsprache brillieren konnte, lud man gern zu Talkshows und gut bezahlten Vorträgen ein. Journalisten liebten es, über ihn zu schreiben, sogar eine Biografie gibt es schon seit Längerem.

Technikwissen vom Vater

Madsen wuchs als Sohn eines schon recht alten Zimmermanns in bescheidenen Verhältnissen auf. Die Mutter verließ den Vater mit den älteren Brüdern. Madsen junior blieb zurück. Als er Teenager war, war sein strenger und gefühlskalter Vater schon über 70. Der löste aber mit seinem Interesse für Handwerkliches, Schiffe und Flugzeuge Madsens Liebe für Technik und Wissenschaft aus. Madsen brachte sich das meiste selbst bei in endlosen Büchereisitzungen. Technisches Wissen war der einzige Weg für ihn, mit dem Vater in Verbindung zu treten, und laut der Zeitung „BT“ vermutlich auch eine Art „Fluchtmöglichkeit“ für das Kind aus seinem drückenden Alltag.

„Die beiden redeten ausschließlich über Wissenschaft, nicht über Gefühle“, sagt Halbbruder Benny Langkjaer Egesø. Madsen war ein Eigenbrötler, der in der Schule wenig Freunde hatte. Selbst im Erwachsenenalter hätten die Geschwister es schwer mit ihm gehabt, normale Gespräche zu führen. „Du kannst mit ihm kein normales Gespräch führen, wenn du ihm aber eine schwarze Tafel zum Zeichnen in die Hand drückst, kann er sich über Zeichnungen ausdrücken“, sagte Egesø gegenüber „Expressen“.

Andere beschrieben ihn als „erwachsenes ADHS-Kind (Hyperaktivitätsstörung, Anm.) auf Speed“. Er sei ständig „bis zum Platzen voll von rastloser Energie“, „ein Mann ohne Stoppschalter“.

Madsen blieb laut seinem Biografen Thomas Djursing kinderlos, weil seine Projekte, die U-Boote und Raketen, „seine Kinder“ seien. Dennoch zeige er auch viel Mitgefühl für andere, so der Bruder.

Auch soll Madsen die Frauen lieben. „Er hat Frauen sehr gern und hat Umgang mit vielen. Aber er hat eine Frau, mit der er seit vielen Jahren verheiratet ist und mit der er zusammenlebt. Ich weiß, dass sie einander lieben, obwohl sie in einer offenen Beziehung leben“, sagt Biograph Djursing.

Der „Raketen-Madsen“

Seinen Durchbruch hatte Madsen, als er 2008 mit der UC3 Nautilus, in der die Reporterin Wall laut Madsen jetzt starb, sein drittes U-Boot vom Stapel ließ; es ist mit (je nach Quelle) 32 bis 40 Tonnen Verdrängung das größte private U-Boot der Welt. Madsen reichte die Tiefe nicht: Er will unter dem Motto „Amateurs in Space“ mehr als 100 Kilometer hoch bis ins All, was ihm den Spitznamen „Raketen-Madsen“ eingebracht hat.

2010 gelang es ihm mit anderen Enthusiasten vorerst, eine Rakete 8,5 Kilometer hochzuschießen. Das Boot, das Madsen nach dem Tod von Wall absichtlich versenkt hat und das aus sieben Meter Tiefe geborgen wurde, sollte später die Rakete, mit der er ins All wollte, zum Startort bringen.

Gerade wegen Madsens Plänen erstaunt es viele, dass er ein Mörder sein könnte. „Er hatte stets enormen Respekt vor Küstenwache, Militär und allen Behörden, mit denen er ja zusammenarbeitet. Er ist mit seinen Plänen abhängig von deren gutem Willen“, sagt Djursing. „Er ist nicht gewalttätig, er trinkt nicht, nimmt keine Drogen. Er ist ein Mann mit gesunden Werten.“ Allerdings streite der Tüftler auch „mit Gott und jedermann“: Als er die Biografie schrieb, wollten viele von Madsens Bekannten überhaupt nicht über ihn reden.

HINTERGRUND

Die schwedische Journalistin Kim Wall (30) war in der Nacht auf 11. August an Bord von Peter Madsens U-Boot Nautilus, als es nahe Kopenhagen sank. Madsen wurde gerettet, Wall blieb verschwunden. Das Boot wurde geborgen; es zeigte sich, dass man es absichtlich versenkt hatte und innen Blutspuren Walls waren. Ihr Torso trieb später an der Küste an, Kopf und Glieder fehlen noch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2017)

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