Politik setzt Voest unter Druck

Symbolbild Voest.
Symbolbild Voest. (c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Noch vor der Nationalratswahl entscheidet die Voest, wo ihr neues Edelstahlwerk gebaut wird. Die Parteien legen sich für das steirische Kapfenberg – und 3000 Jobs – ins Zeug.

Wien/Graz/Linz. Den „Zwölfer“ bei den Umsatzmilliarden dürfte die Voestalpine im laufenden Geschäftsjahr 2017/18 ebenso knacken wie die Milliarde beim Betriebsgewinn. Die Auftragsbücher der Linzer quellen förmlich über. Vor allem die Autoindustrie sorgt dafür, dass der Hightechkonzern, der sich schon lange von der reinen Stahlproduktion verabschiedet hat, die Konkurrenz von ArcelorMittal bis ThyssenKrupp abhängt, wenn es um Profitabilität geht.

Am Geld liegt es also nicht, wenn Konzernchef Wolfgang Eder die nächste Großinvestition spannend macht. Es geht um das neue Edelstahlwerk, das gut 300 Mio. Euro kosten wird. Kapfenberg, wo das alte Werk steht, oder doch ein Standort im Ausland: Das ist die Frage, die der Aufsichtsrat bei seiner nächsten Sitzung in der letzten Septemberwoche beantworten soll. Nur noch vier Wochen – man möchte also glauben, dass ohnedies schon alles fix ist. Aber dem ist nicht so, beteuert Voest-Sprecher Peter Felsbach gegenüber der „Presse“. Noch seien einige Fragen offen. „Bei einem derart hohen, langen Investment muss alles infrage gestellt werden, was in Richtung kalkulierbarer Kostenstrukturen geht“, sagt Eder.

Umso mehr steigt der Druck der steirischen Politik, die Großinvestition für die obersteirische Industriestadt Kapfenberg, wo ein Großteil der Arbeitsplätze an der Voestalpine hängt, zu sichern. Immerhin fällt die Grundsatzentscheidung im Aufsichtsrat nur zwei Wochen vor den Nationalratswahlen – da heften sich alle Parteien gern so eine wirtschaftspolitische Feder an ihren Steirerhut. Gestern, Freitag, soll Eder wieder ein Schreiben aus Graz auf den Tisch geflattert sein. Darin wird die Voest gebeten, sich für Kapfenberg auszusprechen.

Die Steirer haben sich von Anfang an, als die Voest die Großinvestition ankündigte, kräftig ins Zeug gelegt. Was nicht wundert, denn mit der neuen Fabrik, die 2021 in Betrieb gehen soll, will die Voest im Bereich Spezialstähle das „Maß aller Dinge“ werden. Voll digitalisiert, soll die Fabrik dem Konzern die Kostenführerschaft bei neuen Edelstahlprodukten und deren Anwendung sichern und weiter ausbauen. Das würde die gesamte Mur-Mürz-Industrieregion enorm aufwerten. Nicht zuletzt hängen auch rund 3000 Arbeitsplätze daran.

„Wir in der Landesregierung haben dafür gesorgt, dass alle erdenklichen Wünsche der Voest – von der Raumordnung über den Hochwasserschutz bis zu behördlichen Genehmigungen – erfüllt werden, sodass Kapfenberg im internationalen Wettbewerb besteht“, sagt Landesrat Hans Seitinger (ÖVP) zur „Presse“. Koralm- und der Semmeringtunnel würden überdies die notwendige Infrastrukturanbindung massiv verbessern. Während des Neubaus müsse das bestehende Werk auch nicht abgestellt werden. Er, Seitinger, habe daher „größtes Vertrauen“ und gehe auch davon aus, dass Kapfenberg die besten Karten habe.

Für die Stadt, die seit dem Mittelalter vom Stahl lebt und durch die Brüder Böhler groß gemacht wurde, wäre alles andere eine Katastrophe, heißt es in Politikkreisen.

Knackpunkt Energiekosten

Leicht hat es sich auch die Voest nicht gemacht. Monatelang wurde geplant und gerechnet, wurden alle Vor- und Nachteile abgewogen. Schließlich soll „das Werk ja wieder 100 Jahre halten“, spielte Eder kürzlich auf das Alter des bestehenden Werks an. Das Land und die Gemeinde seien äußerst konstruktiv. „Kapfenberg hat gute Karten. “

Der größte Knackpunkt sind die Energiekosten. Da haben Österreich und Europa gesamt keine guten Karten, etwa gegenüber den USA. Dort hat die Voest ihre größte Auslandsinvestition mit der Direktreduktionsanlage in Texas getätigt. Am Standort Cartersville (Georgia), wo höchstfeste Automobilkomponenten in Leichtbauweise produziert werden, läuft die dritte Ausbaustufe.

Mit der Strompreiszonenregelung zwischen Deutschland und Österreich hat sich die Lage zwar entspannt. Aber nach wie vor macht die Klimapolitik und der Emissionshandel der energieintensiven Stahlerzeugung und -verarbeitung nicht gerade Freude. Auch wenn die Voest an ihren Standorten weitgehend stromautark ist (Wärmerückgewinnung), „fressen“ die Elektroöfen viel Energie. 2015 lag der Gesamtenergieverbrauch der Voest bei 37,88 Terawattstunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2017)

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