Medwedjew: „Damit Europa sich sicherer fühlt“

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Alexandr Medwedjew im Gespräch mit der "Presse" darüber, wie Gazprom Image und Absatz im Westen wieder aufbessern will.

Moskau. Der russische Gasmonopolist Gazprom leidet nicht nur unter dem Transitland Ukraine, sondern auch unter jenen Parametern, nach denen es mit seinen westlichen Abnehmern handelt. Wie Altes beibehalten und gleichzeitig neue Wege gehen? Im Interview mit der „Presse“ gibt Gazprom-Vizechef und Chef von Gazprom-Export Alexandr Medwedjew Einblick in den Reflexionsprozess des weltgrößten Gaskonzerns.

„Die Presse“: Gazprom hat sich in den letzten Jahren mit großspurigen Gesten in Europa nicht gerade beliebt gemacht. Derzeit zwingt die Krise alle zur Reflexion. Ich nehme an, auch Gazprom geht in sich.

Alexandr Medwedjew: Wir analysieren die Entwicklung sehr genau. Und obwohl die Nachfrage zurückgegangen ist, denken wir, dass der Ausweg aus der Krise nicht fern ist. Nach zwei oder drei Jahren wird vielleicht die Wachstumskurve nicht mehr so steil sein wie früher, die Dynamik aber gleich. Die Nachfrage nach Gas wird wieder steigen.

Das sehen nicht alle Experten so. Gerade für Gazproms Hauptmarkt Europa hat die Internationale Energieagentur ihre Prognosen für die nächsten Jahrzehnte nach unten korrigiert.

Medwedjew: Dieselben Propheten aber haben noch 2007 sensationell rosige Vorhersagen getroffen. Stellt sich die Frage, welche Lobbygruppen aus den jetzt düsteren Szenarien Vorteile ziehen. Gazproms eigene Prognose, die wir bis zur Aktionärsversammlung 2010 publizieren, wird großes Interesse hervorrufen. Wir sind hier eher konservativ.

Wird sich Ihr Marktanteil in Europa steigern lassen?

Medwedjew: Er wird von derzeit 26Prozent bis ins Jahr 2030 auf 33Prozent steigen.

Heuer haben Sie ja stark verloren – auch weil Ihr Gas wegen der Bindung an den Ölpreis und langfristiger Verträge teurer war als bei Konkurrenten oder auf den Spotmärkten (kurzfristiger Handel). Warum wollen Sie Ihr System nicht ändern?

Medwedjew: Wir halten uns an das System „Take or pay“ (garantierte Liefer- und garantierte Abnahmemenge), weil es über Jahrzehnte eine stabile Gaslieferung sicherte. Der Spotmarkt ist unkalkulierbar. Wenn wir morgen gänzlich auf den Spotmarkt übergingen, läge der dortige Preis um hundert Dollar über dem gemäß unseren langfristigen Verträgen. In Zukunft wird es eine Kombination aus beidem geben.


Westliche Konzerne reduzieren die Abnahme bei Ihnen, weil der Absatz zurückgeht. Laut Vertrag müssen sie dann vorauszahlen. Der Ukraine erlauben Sie hingegen, die vertraglich fixierte Abnahmemenge 2010 weit zu unterschreiten, ohne dass sie dafür dann auf Vorauszahlungssystem umgestellt wird bzw. Sanktionen zahlen muss.

Medwedjew: Wir haben auch mit der Ukraine ein Strafsystem, das wir jetzt aber nicht anwenden. Wir erlauben der Ukraine eine geringere Entnahme, damit Europa sich sicherer fühlt. Würden wir die Strafen von der Ukraine einfordern, würde dies nicht nur zum Bankrott der ukrainischen Gasgesellschaft Naftogaz, sondern vielleicht auch des gesamten Staates führen.

Bei Gazprom herrscht angeblich teilweise Urlaubssperre. Fürchtet man eine neue Gaskrise?

Medwedjew: Am 1.Jänner sollte nichts passieren, denn die nächste Zahlung ist am 7.Jänner fällig. Timoschenko hat gesagt, dass sie allen Verpflichtungen nachkommen werde.

Sie suchen ja intensiv neue Transportwege in den Westen. Nach Berechnungen der russischen Zeitung „Vedomosti“ wird der Transit über die South Stream dreimal so teuer kommen wie jetzt über die Ukraine.

Medwedjew: Wir machen keine wirtschaftlich nachteiligen Projekte. Bei South Stream haben wir noch keine detaillierte Berechnung der Tarifkosten. South Stream kommt, was die bilateralen Regierungsabkommen betrifft, gut voran. Mit Österreich werden wir ein solches, denke ich, in nächster Zeit unterzeichnen. Es geht ja um den Bestimmungspunkt Baumgarten, an dem sich das ganze System schließt.

In Wien wurde dieser Tage mit der Central European Gas Hub AG eine neue Handelsplattform aus der Taufe gehoben. Gazprom will mit 30 bis 50Prozent teilnehmen, Brüssel aber hat noch kein Plazet gegeben. Warum?

Medwedjew: Ich hoffe, ich konnte in Brüssel aufklären, welche Ziele wir verfolgen. In diesem Hub befindet sich russisches Gas. Gazprom hier nicht zur Arbeit zuzulassen, heißt, diesen Hub vom Standpunkt der Liquidität her faktisch zu töten. Dann verkommt er zum reinen Spielzeug. Wir wollten gerade deshalb am Hub teilnehmen, damit er funktioniert, wie sich das gehört.

Energieexperte Erwin Smole und die österreichische E-Control sagen, wenn die Russen die Hälfte übernehmen, dann würden „die Gashändler davonlaufen“.

Medwedjew: Warum sollten sie sich fürchten? Es ist ja einfach ein Unternehmen.

Es heißt, Sie könnten durch Über- oder Unterversorgung die Preise beeinflussen.

Medwedjew: Das ist erfunden, denn in keinem Hub kann man den Preis manipulieren.

ZUR PERSON

Alexandr Medwedjew ist Gazprom-Vizechef und als Generaldirektor von Gazprom Export seit 2002 für das Auslandsgeschäft des Konzerns zuständig. Das Magazin „Time“ nahm den 54-jährigen Ökonomen heuer als einzigen Russen in die Liste der hundert einflussreichsten Menschen der Welt auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2009)

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