Kopenhagen: Stillstand bei der Klimakonferenz

(c) Reuters (Pawel Kopzynski)
  • Drucken

In Kopenhagen ist derzeit Taktieren für den großen Showdown am Freitag angesagt. Die Entwicklungsländer boykottieren immer wieder Gespräche, weil ihnen die Angebote der Industrieländer zur CO2-Reduktion zu niedrig sind.

KOPENHAGEN. Der überraschende Rückzug der dänischen Umweltministerin Connie Hedegaard vom Vorsitz des UN-Klimagipfels in Kopenhagen kann als Symbol für den Verhandlungsstand stehen: Derzeit geht nichts weiter. „Es ist wie ein großes Pokerspiel“, kommentiert Österreichs Umweltminister Niki Berlakovich. Die Verhandlungen sind auch nach dem Eintreffen der 192 Umweltminister von Taktik und vom Aufbau von Druck auf andere Länder geprägt.

Der Wechsel des Vorsitzes an Dänemarks Premierminister Lars Loekke Rasmussen wird offiziell damit begründet, dass es passender sei, wenn ein Regierungschef den 119 anreisenden Staatschefs präsidiere. Beobachter meinen dagegen, dass es innerdänische Differenzen gegeben habe. Hedegaard (die auch designierte EU-Klimakommissarin ist ) werde weiter für informelle Beratungsrunden zuständig sein, hieß es.

Dort hat sie sich in den bisherigen neun Verhandlungstagen aber wiederholt in die Nesseln gesetzt. Vor allem die Entwicklungsländer waren mit ihrem Vorsitz nicht zufrieden, sie fühlen sich nicht ausreichend eingebunden. Die Entwicklungsländer boykottieren immer wieder Gespräche, weil ihnen die Angebote der Industrieländer zur CO2-Reduktion zu niedrig sind. Auch am Mittwoch blockierten sie das erste Treffen der Umweltminister.

In praktisch keinem wichtigen Verhandlungsthema gibt es Fortschritte, alles wartet auf die Anreise der Staatschefs – aus Österreich kommt Kanzler Werner Faymann. Weiterhin umstritten ist das Ziel, die Erwärmung bis 2010 auf zwei Grad zu begrenzen. Die bisher genannten CO2-Reduktionsziele reichen dafür nicht aus. Völlig offen ist auch, wie die Hilfe für Entwicklungsländer finanziert wird.

Es sieht derzeit so aus, als würden alle Staaten, die bereits CO2-Ziele genannt haben, etwas zurückrudern. Auch die EU. Die europäischen Regierungschefs hatten ja beschlossen, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2020 um 20Prozent zu senken und die Reduktion auf 30Prozent anzuheben, wenn andere Industriestaaten vergleichbare Maßnahmen setzen.

Nimmt EU Pläne zurück?

Seit Mittwoch ziehen Gerüchte ihre Kreise, dass diese 30Prozent Reduktion zu hoch gegriffen seien, die Rede war von 26Prozent oder von 30Prozent erst im Jahr 2025. Bestätigt wurden solche Überlegungen nicht – aber ausgeschlossen wurden sie auch nicht. Der schwedische Ministerpräsident und EU-Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeldt sagt, das EU-Ziel würde höhere Zusagen von den USA und Kanada voraussetzen – und derzeit sei das nicht der Fall. Ähnlich argumentiert Berlakovich: Es habe immer „bis zu 30Prozent“ geheißen, wenn andere mitziehen.

Ein neuer Vertragsentwurf des dänischen Vorsitzes hat am Mittwoch für zusätzliche Verstimmung gesorgt. Laut dieses Textes sollen alle Staaten – also nicht nur Industrie- und Schwellenländer, sondern auch die Entwicklungsländer – Maßnahmen zur CO2-Reduktion treffen. Letztere wehren sich aber dagegen: Die Industrieländer seien für den erhöhten CO2-Gehalt der Atmosphäre verantwortlich und hätten so ihre Wirtschaft aufbauen können. Das solle man nun auch den ärmeren Staaten erlauben. Die Industrieländer halten dagegen, dass weit über 90Prozent des künftigen CO2-Zuwachses aus Schwellen- und Entwicklungsländern kommen würden. Die Klimaverhandlungen sind damit mehr denn je ein Kampf zwischen Nord und Süd. Ohne langfristige Finanzierungszusagen drohen die Entwicklungsländer sogar mit einem Scheitern des Klimagipfels.

Offensive der USA

Die USA haben indes mit einer Großoffensive begonnen: Am Donnerstag reiste Senator John Kerry an. Er hat im US-Senat ein Klimaschutzgesetz eingebracht, das eine 17-prozentige CO2-Reduktion vorsieht; dieses ist politisch äußerst umstritten und kann frühestens im April beschlossen werden.

Heute kommt Außenministerin Hillary Clinton nach Kopenhagen, am Freitag für zwei Stunden Präsident Barack Obama. Erst danach wird klar sein, ob die Klimakonferenz ein Erfolg wird. Mit einem planmäßigen Konferenzende am Freitagabend rechnet niemand mehr, alle erwarten eine durchverhandelte Nacht zum Samstag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

DENMARK COPENHAGEN CLIMATE SUMMIT
Umwelt

Kopenhagen: Der dürre Klima-Kompromiss

Mit Müh und Not wurde bei der UN-Klimakonferenz ein Minimalstkonsens "zur Kenntnis" genommen - nach langwierigen Grabenkämpfen zwischen den Länderblöcken. Das Abkommen ist zahnlos und enthält kaum Verpflichtungen.
Umwelt

Zwei Seelen in Europas Umweltherz

Mit dem Ergebnis von Kopenhagen brechen die Klimafronten in der EU wieder neu auf.
Beten hilft? Der Vorsitzende Lars Lokke Rasmussen
Umwelt

Klimagipfel: Minimal-Konsens nach zähen Verhandlungen

Mehrmals stand der Kopenhagener Klimagipfel kurz vor dem Scheitern, schließlich haben alle 197 Staaten den Klima-Kompromiss akzeptiert. Konkrete Vorgaben zur Verringerung der Treibhausgase fehlen darin.
Umwelt

Die Eckpunkte des Kompromiss-Papiers

Die Teilnehmer des Weltklimagipfels haben am Samstag dem mühsam ausgehandelten Kompromiss zugestimmt. Die Vereinbarung blieb jedoch weit hinter den Erwartungen zurück.
Obama Jiabao Kopenhagen
Umwelt

Kopenhagen: Ein Mini-Kompromiss in der Nachspielzeit

Stunden nach dem geplanten Ende des Klimagipfels in Kopenhagen einigen sich alle Ländern auf eine gemeinsame politische Erklärung. Davor hat US-Präsident Obama einen Kompromiss mit den Schwellenländern erzielt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.