UN-Klimagipfel: Feilschen um Minimalst-Konsens

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Obama(c) REUTERS (BOB STRONG)
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Auch die Rede von US-Präsident Obama brachte keinen Umschwung, das Ergebnis ist äußerst dürftig.

Der Obama-Effekt, auf den so viele gehofft hatten, ist ausgeblieben. Der US-Präsident brachte zum letzten Tag der Kopenhagener Klimakonferenz keine neuen Angebote mit. Unter hohem innenpolitischen Druck - in Washington ist noch nicht einmal das bisher genannte Reduktionsziel beschlossen - beschränkte er sich bei seiner Rede auf einen flammenden Appell zum raschen Handeln. „Ich bin nicht hier, um zu reden, sondern um zu handeln."

Das machte er auch. Anstatt nur, wie angekündigt, wenige Stunden in Kopenhagen zu bleiben, traf er unzählige Staatsoberhäupter, verhandelte zwei mal lange mit Chinas Regierungschef Wen Jianbao, und mehrmals mit Delegationen aus Europa, Indien oder Südafrika.

Parallel dazu versuchte die EU alles, um einen Deal zu retten. Nach zwölf Stunden war dann ein Minimalst-Konsens da, den alle 192 Staaten mittragen konnten - wenn auch zu Redaktionsschluss dieser Ausgabe der formelle Beschluss noch nicht da war. In diesem Abschlusspapier wird festgehalten, dass die Erderwärmung maximal zwei Grad betragen soll.

Welche Beiträge die einzelnen Staaten zum Klimaschutz machen, blieb indes offen. Die Staaten müssen bis Februar schriftlich ihre Vorhaben bekannt geben, diese CO2-Reduktionen sind allerdings nicht-bindend. Immerhin: Für diese Pläne gibt es ein internationales Monitoring. Das war offenbar der Preis dafür, dass auch China den Vertrag mitträgt. Obama - der das Ergebnis zeitgleich mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verkündete - sagte, dass das erst der Anfang sei. Sarkozy präzisierte, dass die weiteren Verhandlungen im Juni in Bonn stattfinden.

Zahlreiche Lücken

In dem Abkommen fehlen viele Dinge, die in vorherigen Entwürfen enthalten waren. Am gravierendsten ist, das in dem Abkommen kein langfristiges Emissionsziel enthalten ist. China hatte den Plan nicht akzeptiert, bis zum Jahr 2050 den weltweiten CO2-Ausstoß auf die Hälfte zu reduzieren.

Unumstritten waren bereits die Finanzhilfen für Entwicklungsländer - in den nächsten drei Jahren 30 Milliarden Dollar, dann bis 2020 ansteigend auf jährlich 100 Milliarden Dollar. sDiese sollen sowohl von öffentlichen als auch von privaten Geldern kommen, sowohl in bilateralen als auch in multilateralen Abkommen.

Wie viel CO2 die einzelnen Staaten einsparen müssen, ist damit völlig unklar. Das passt freilich mit dem Zwei-Grad-Ziel nicht zusammen. Laut einem UN-Papier, das durchgesickert ist und das der „Presse" vorliegt, reichen die bisherigen Verpflichtungen dafür bei weitem nicht aus. Nötig dafür wäre, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre nicht über 450 ppm (Moleküle CO2 pro Million Luft-Moleküle) steigt. Derzeit liegt der CO2-Gehalt bei 380 ppm, vor 100 Jahren lag er bei 280 ppm.

Um die Konzentration bei 450 ppm zu begrenzen, müsste der CO2-Ausstoß zwischen 2015 und 2020 seinen Höhepunkt bei rund 44 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO2 erreichen und dann absinken. Die derzeitigen Pläne führen aber zu einem um 1,9 bis 4,2 Gigatonnen höheren Ausstoß. Das würde den CO2-Gehalt der Luft auf 550 ppm steigen lassen, was eine Erwärmung um drei Grad zur Folge hätte. Bei dieser Temperatur wächst das Risiko von drastischen Umweltfolgen deutlich.

Der letzte Tag der Klimakonferenz hatte schon nicht gut begonnen. In der Nacht auf Freitag hatte ein Gruppe von 25 Staaten mit allen Schlüsselspielern wie USA, EU, China, Südafrika, Indien oder Brasilien versucht, die Verhandlungen voranzubringen. Wie berichtet hatte der dänische Konferenzvorsitz am Donnerstag beschlossen, keinen Entwurf mehr vorzulegen. Die Staats- und Regierungschefs haben dies in der Nacht selber versucht - ohne Ergebnis. Damit war klar, dass in Kopenhagen kein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag beschlossen werden kann.

Die Verhandlungen wogten dann stundenlang hin und her, immer neue Probleme tauchten auf, manche konnten gelöst werden, andere nicht. Zu einem Haupthindernis für ein neues Weltklimaabkommen wurde, dass China keine internationale Kontrolle ihrer CO2-Emissionen akzeptieren wollte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2009)

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