Das Vermögen der Österreicher zu bewerten, ist schwierig. Die Arbeiterkammer behilft sich nun zwei Wochen vor der Wahl mit einer Schätzung. Das Ergebnis überrascht nicht: Die Ungleichheit sei schlimmer als angenommen.
Wien. Im Moment kommt es dick. Erst am Mittwoch hatte der Allianz-Vermögensreport aufgezeigt, dass die Österreicher reicher sind als die Deutschen und das Nettovermögen hierzulande im Vorjahr um zwei Prozent auf 51.980 Euro gestiegen war.
Am gestrigen Mittwoch legte die Frankfurter Beratungsgesellschaft Capgemini nach und konstatierte, dass im Vorjahr die Zahl der Millionäre weltweit um um 7,5 Prozent und in Österreich überdurchschnittlich um 9,5 Prozent (auf 132.600) gewachsen ist.
Mit „bisher angenommen“ sind jene Daten gemeint, die die Europäische Zentralbank im Dezember 2016 im so genannten Household Finance and Consumption Survey (HFCS) erhoben hat. Ihm zufolge besitzt das reichste Prozent in Österreich 25 Prozent des Gesamtnettovermögens (Finanz- plus Realvermögen abzüglich der Schulden), das mit 998 Milliarden Euro angegeben wird. Die reichsten fünf Prozent besitzen 43 Prozent des Vermögens, während die ärmere Hälfte der Österreicher nur auf 3,2 Prozent des Vermögens kommt.
Die neue Schätzung der Arbeiterkammer ergibt deutlich andere Werte: Ihr zufolge ist nicht nur das Gesamtvermögen mit 1,32 Billionen Euro signifikant höher, es ist auch insofern ungleicher verteilt, als das reichste Prozent 40,5 Prozent davon innehat und die reichsten fünf Prozent 56 Prozent, während die untere Hälfte der Landsleute gerade einmal 2,5 Prozent besitzt. Statt der bisher angenommenen 129.000 Millionäre gebe es im gesamten Bundesgebiet 148.000 Millionäre und sogar 35,8 Milliardäre.
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Hoffnung auf Erbschaftssteuer als Motiv zur Studie
Aber wie kommt der von der AK beauftragte Ökonom der Uni Linz, Jakob Kapeller, dessen Universitätsinstitut ICAE übrigens jährlich Sommerakademien in Kooperation mit der Arbeiterkammer und der Bewegung Attac durchführt, zu seinem Schätzungsergebnis? Ausgangspunkt ist die These, dass in der HFCS-Erhebung die schmale Spitze der Vermögensverteilung unzureichend erfasst wird, Antworten selektiv verweigert und falsche Angaben gemacht werden. Die AK und Kapeller setzten sich zum Ziel, durch ein gezieltes „Oversampling“, sprich die besondere Einbeziehung von mehr reichen Haushalten in die Stichprobe, dieses Segment stärker abzubilden.
Was die Österreicher insgesamt in letzter zeit reicher gemacht hat, sind laut Capgemini unter anderem die günstige Entwicklung der Wirtschaft, die erhöhte, am BIP gemessene gesamtwirtschaftliche Sparquote sowie das stetige Wachstum der Immobilienpreise.
Apropos Sparen: Weil die Österreicher ihr Geld konservativ auf die Bank tragen und nicht in Wertpapiere investieren, ist die durchschnittliche Rendite des Geldvermögens laut Allianz nirgendwo im Euroraum so niedrig wie hierzulande. 2016 lag sie bei 2,6 Prozent, im anlegerfreundlicheren Finnland und Holland bei acht bzw. 7,6 Prozent.
Österreich hält im aktuellen Global Wealth Report zum Geldvermögen den Platz unter den 20 reichsten Ländern der Welt. An der Spitze gab es eine Veränderung, die Schweiz wurde abgelöst.