Südtirol: Tradition und Moderne nah bei den Sternen

Traumlage auf mehr als 1600 Metern Seehöhe ermöglicht Traumblicke.
Traumlage auf mehr als 1600 Metern Seehöhe ermöglicht Traumblicke. (c) Bookin.com
  • Drucken

Ganz hinten im Sarntal, wo man eigentlich nichts mehr erwartet, betreiben die Geschwister Schneider ein Hideaway. Und dürfen ihren Auener Hof als Italiens höchstgelegenes Zwei-Sterne-Restaurant bezeichnen.

Heinrich Schneiders Zauberkasten hängt an der Wand über dem Küchenherd. In einer Art Bücherregal reihen sich Dutzende Marmeladegläser aneinander: Knoblauchrauke, Brunnenkresse, Frauenmantel, Bärlauch, Gundelrebe, steht auf den handgeschriebenen Etiketten. Dahinter leuchtet in vielerlei Grün, was Schneider auf den Wiesen und in den Wäldern rund um den Auener Hof mit seinem Gourmetrestaurant „Terra“ gefunden hat. „Das ist nur eine kleine Auswahl, der Rest lagert in den Archiven“, sagt Schneider. Und zerbröselt dabei mit seinen Fingern über goldgelben Ricotta-Ravioli Waldmeister.

Galium Odoratum, so der botanische Name, wachse an einem einzigen, geheimen Ort im Sarntal. „Eine alte Frau hat ihn mir gezeigt“, erzählt Schneider. Dann hält er uns das geöffnete Glas unter die Nase. Ein bekanntes Aroma, aber welches nur? Richtig, so duftet getrocknetes Heu! „Cumarin“, sagt Schneider. Waldmeister hätten die Bauern früher Kühen, die nicht fressen wollten, ins Futter gemischt. „Und noch früher glaubte man hier, dass sich damit Hexen vertreiben lassen.“ Bei den Stoanernen Mandln hoch über dem Auener Hof hätten sich die Dämonen zum Hexensabbat getroffen, weiß die Volksüberlieferung. Zweifellos der Wahrheit entspricht, dass das Sarntal etwas abgelegen ist. Fährt man von Bozen nach Sarnthein, den Hauptort des traumhaften Tales, geht von dort noch einmal sechs Kilometer bergauf bis zur Streusiedlung Auen. Auf Wiesenterrassen hinter dunklem Nadelgehölz zeichnen sich die Umrisse altersgrauer Bauernhöfe ab, kein Mensch lässt sich blicken. Dann endlich: der Auener Hof auf einer Aussichtskanzel.

Altes, verbunden mit Neuem

„Als wir hier 1998 anfingen, Heinrich war 25 und ich 23 Jahre alt, gab es im Sarntal kaum Tourismus“, erzählt Gisela Schneider. Heinrichs Schwester, die mit ihm gemeinsam den Auener Hof führt, empfängt die Gäste und berät sie als Sommelière. „Die ersten Jahre waren hart, aber wenn man auf 1600 Metern aufgewachsen ist, hält man durch“, sagt Gisela. Und erzählt, dass der Großvater nach dem Zweiten Weltkrieg weiter oben am Berg ein erstes einfaches Gasthaus erbaut habe. „Kaum war es fertig, zerstörte es eine Lawine.“ Der Großvater baute noch einmal. Das alte Gasthaus steht 100 Meter neben dem neuen Auener Hof.

Das Alte und das Neue, Tradition und Moderne geschmackvoll zu verbinden, scheint die Leitidee bei der Errichtung des neuen Auener Hofes gewesen zu sein. In der mit weißen Ledersofas möblierten Lobby duftet es nach Holz. „Der Architekt wollte uns zu Eiche überreden, aber wir wählten die heimische Lärche und Zirbe“, sagt Gisela Schneider. Bei Bau und Ausstattung hätten ihr Bruder und sie überall mitentschieden, erzählt sie. Seien es die Birkenstämme im Eingangsbereich, die Designerlampen, das handgemachte Porzellangeschirr, jedes Detail strahlt eine unaufdringliche Eleganz aus, eine Stilsicherheit, die nicht auftrumpfen muss. Die Schneiders vermieten ein paar Suiten und Zimmer, im Obergeschoss gibt es zwei Saunen und einen kleinen Whirlpool mit Cinemascope-Ausblick zum Relaxen vor und nach dem ausgiebigen Speisen.

Auf ihren Wein-„Keller“ ist Sommelière Gisela besonders stolz: einen gläserne, hellblau beleuchteten Kubus über dem hohen Speisesaal. Der Nachschub stamme vorwiegend von lokalen Kleinproduzenten. Gisela Schneider empfiehlt für das heutige neungängige Abendmenü zuerst einen fruchtigen Weißburgunder von Andi Sölva, anschließend einen tanninreichen, wunderbar samtigen Lagrein von Norbert Kofler – zwei Nebenerwerbswinzern am Kalterer See, die im Hauptberuf im Weinlabor einer Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt arbeiten.

Überhaupt, das Verpflegungsangebot: Gleich zu Beginn entfaltet ein Himbeerblatt mit Rosenpulver eine Geschmacksexplosion am Gaumen. Was Heinrich Schneider dann weiter auftischt, etwa Tortellini mit Hirtenproslkäse und Fichtensprossenstaub, Entenbrust, in der Erde gegarte Bronze-Kartoffeln, zwischendurch ein Freilandei mit Felchenkaviar, liefern selbstverständlich einheimische Produzenten. Die Pilze, Wildkräuter und Beeren hat der Koch rund ums Haus aufgelesen. Naturküche sei heute ja Trend, sagt Schneider, der 22 moderesistente Erfahrungsjahre hinter sich hat – frühmorgens auf der Kräuterpirsch und abends experimentierend am Küchenherd. „Mich faszinierte immer schon der lokale Reichtum“, sagt Heinrich Schneider, schon seine Mutter, ebenfalls Köchin, habe mit heimischen Kräutern gearbeitet. Dass ihn ein italienischer Kritiker wegen dieser Vorliebe „Druidenkoch“ nannte, nimmt er gelassen zur Kenntnis. Genauso die erhaltenen Auszeichnungen, darunter seit 2016 zwei Michelin Sterne.

LUXUS HOCH OBEN

Anreise: Brennerautobahn Ausfahrt Bozen Süd; dann der Beschilderung Sarntal folgen bis Sarnthein, dort den Wegweisern zum Auener Hof, ab Bozen ca. 45 Minuten.

Adresse: Frazione Prati, 21, 39058 Sarentino BZ,
Tel. 0039/0471/623055, www.auenerhof.it Das Hotel ist Mitglied der Relais&Chateaux-Kette

Preise: 1 Tag Wohnen im Comfort Room: mit serviertem Terra Frühstück & Terra Tasting (kulinarische Highlights der Auenerhof Küche) 196 Euro. Oder in der Zirm Suite de Luxe: 1 Tag Wohnen mit serviertem Terra Frühstück, Terra Tasting, 266 Euro.

Compliance-Hinweis: Der Autor war auf Einladung unterwegs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.