Der Pater und die Herausforderung: Vom Zweifel zum Erfolgserlebnis

Pater Markus Inama hat ein Buch über seine Zeit in Bulgarien geschrieben.
Pater Markus Inama hat ein Buch über seine Zeit in Bulgarien geschrieben.(c) Stanislav Jenis
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Markus Inama hat für Concordia ein Sozialzentrum in Sofia aufgebaut. In einem Buch schildert er Durststrecken, aber auch das gute Gefühl des Gelingens.

Zweifel. Durststrecke. Gegenwind. Es sind Worte wie diese, die Markus Inama im Gespräch oft verwendet. Und der Jesuitenpater hat auch kein Problem damit, darüber zu sprechen. Über die Verzweiflung, die ihn manchmal überkam. Und über die Frage, die immer wieder in seinem Kopf auftauchte, wie er mit all dem fertigwerden sollte. „Ich wusste nicht, worauf ich mich da einlasse“, sagt er über jene Zeit, als er plötzlich in Sofia stand und dort für die Hilfsorganisation Concordia ein Sozialzentrum aufbauen sollte. 2008 war das, als er das machen sollte, was Pater Georg Sporschill Anfang der 1990er-Jahre schon in Rumänien gemacht hatte. Von null auf eine Einrichtung aus dem Boden stampfen, in der vernachlässigte Kinder und Jugendliche eine Perspektive bekommen sollten.

Die scheinbare Leichtigkeit eines Pater Sporschill strahlt Inama nicht aus. Er legt seine Stirn in Falten, grübelt und erzählt, dass er vor allem am Anfang schlecht geschlafen habe. Natürlich, er hatte schon Erfahrungen, hatte unter anderem mit Obdachlosen in Wien gearbeitet. Aber Bulgarien war doch ein anderes Umfeld. Von den Behörden, die nicht immer besonders kooperativ waren, bis zur Bevölkerung, die auch Skepsis zeigte. Weil das Zentrum vor allem auch für Roma gedacht war. Zu Zeiten des Kommunismus war das Thema unterdrückt worden, doch nach und nach kam der Hass vieler Menschen auf die Volksgruppe hoch.

Nächtliche Razzia im Zentrum

Als das Sozialzentrum Sveti Konstantin in Betrieb ging, stand immer wieder mitten in der Nacht die Polizei vor der Tür. Weil sie auf der Suche nach kriminellen Jugendlichen vermutete, dass sie sich hier verschanzt hatten. Ohne Vorwarnung, ohne Rücksprache mit dem Pater. Es dauerte, ehe so etwas wie ein Vertrauensverhältnis entstand und die Polizei nachfragte, wenn sie jemanden suchte. Immer wieder musste Inama auch feststellen, dass es für manche kein soziales Sicherungsnetz gab. Etwa bei einem schwer verletzten jungen Mann, der von Rechtsradikalen zusammengeschlagen worden war, im Spital jedoch nicht aufgenommen wurde. Der Pater bezahlte die Operation des Nierenrisses, den der Mann erlitten hatte, und rettete ihm so das Leben.

Es sind Geschichten wie diese, die der gebürtige Vorarlberger in sein Tagebuch schrieb. Als Erinnerung für sich selbst, um all das zu verarbeiten, womit er konfrontiert war. Doch irgendwann reifte die Idee in ihm, seine Aufzeichnungen auch mit anderen zu teilen. Knapp drei Jahre lang arbeitete er daran, die Aufzeichnungen zu einem Buch zu machen. Holte Feedback ein, ergänzte einiges aus seiner Erinnerung – und gab Mitte des Jahres schließlich das Manuskript beim Verlag ab. „Der Hoffnung ein Zuhause geben“, so lautet der Titel.

Und tatsächlich, was am Anfang mit viel Zweifel und Unsicherheit begann, entwickelte sich im Lauf der Zeit positiv. Nach und nach stellten sich Erfolgserlebnisse ein. Wurde das Zentrum akzeptiert. Und begann Inama, auch die Früchte der Arbeit zu sehen. Menschen, die den Sprung von der Straße schafften. Jugendliche, die plötzlich wieder etwas positiver in die Zukunft sehen konnten. „Und es ist schon auch emotional bewegend, wenn dich plötzlich zehn Kinder begrüßen und umarmen.“

Umso größer war seine Enttäuschung, als er all das wieder aufgeben musste. An sich für sechs Jahre vom Orden dafür abgestellt, musste er schon nach vier Jahren wieder gehen. Als Rektor des Jesuitenkollegs wurde er nach Innsbruck berufen. Eine Aufgabe, bei der er für Priester zuständig ist, die ihr Doktorat machen. „Es ist sicher eine Ehre“, sagt er, „aber emotional befriedigender war das Sozialzentrum.“ Wobei er den Kontakt nicht komplett abbrechen musste. Seit 2009 sitzt er im Vorstand von Concordia und fährt etwa einmal im Monat in eines der Zentren nach Osteuropa.

Der Zweifel gehört zu seinem Leben. Das war schon so, als er als Jugendlicher eine religiöse Sehnsucht in sich spürte. Da war das Andocken bei den Jesuiten. Da war die Frage, ob nicht doch eine Beziehung erstrebenswerter wäre. Doch da war 1995 schließlich die Weihe zum Priester. Eine Entscheidung, die er für richtig hält. „Man hat große Chancen, im Orden zu reifen“, meint er. Zweifel, Durststrecken und Gegenwind gehören dazu: „Es ist die Möglichkeit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, wenn man an Grenzen geht.“

Buch

Markus Inama

"Der Hoffnung ein Zuhause geben"

Styria Verlag
208 Seiten

22,90 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2017)

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