12.Oktober

Kern spielt Kreisky, Kurz nicht Schüssel, Pilz den digitalen Elefanten

Guten Morgen! Es ist schön zu beobachten, wenn es zwei Politikern, die einander persönlich ablehnen, gelingt, fast gesittet streiten können. So im gestrigen ORF-TV-Duell geschehen.

Christian Kern gab sich gegenüber Kurz nach dem äußerst emotionalen Auftritt gegen den Außenminister auf Puls4  nun wieder einigermaßen staatsmännisch und spielte Bruno Kreisky. (Brille mit nachdenklicher Miene aufsetzen und: „Ich lese Ihnen jetzt aus Ihrem Programm vor.“ Bei Kreisky war das das Buch von Josef Taus in dem legendären TV-Duell der beiden gewesen.) Auch Kurz blieb anfangs höflich und sachlich. Kerns Angriff wegen Steuergeschenke für Großspender konterte Kurz mit einem Angriff gegen Kerns Zeit als ÖBB-Chef. Der lobte sich, das Unternehmen saniert zu haben und mit Millionen-Gewinnen übergeben zu haben. Kurz bestritt das: Wenn man ein paar Hunderte Millionen aus steigenden Staatszuschüssen weniger ausgebe, sei das kein Gewinn. Kerns späterer sarkastischer Satz des Abends: „Ich schätze Ihre Höflichkeit.“

Insgesamt gab es aber braven Klassenkampf und viel: „Der Sachverhalt ist denkbar einfach“ von Kern und „Sie stellen mich da in ein Eck" von Kurz. „Pardon“ und mit „Verlaub“ ließ Kern diesmal aus, „nur noch ein Satz“ Kurz. Die Anhänger von Kern in Partei und Medien feierten den Kanzler als „lässigen“ Sieger des Abends und sahen Kurz „schwimmen“, der hatte seine große Facebook-Gemeinde auf Oe24 für die Nach-Duell-Analyse im Fellner-TV mobilisieren können, die ihn als derart haushohen Sieger kürten, dass es sogar Wolfang Fellner ein bisschen peinlich war. Kurz bestritt übrigens, dass Schüssel sein Mentor gewesen sei, was Kern gerne verbreitet, um das schwarz-blaue Gespenst zu beschwören.

Tal Silberstein kam während des gesamten Duells übrigens kein einziges Mal vor.

Christian Kern glaubt jedenfalls nach wie vor an einen Wahlsieg am Sonntag. Er liegt seit Wochen und Monaten zwar in allen Umfragen deutlich hinter Sebastian Kurz und hatte bis zuletzt auf den Rückenwind aus den TV-Duellen gesetzt. Im Finale des Wahlkampfes sollten spektakuläre Auftritte Kerns die Aufholjagd bringen, lautete der immer wieder verbreitete  Plan. Das ist bisher noch nicht passiert. Dafür ist auch eine Entscheidung Kerns und der anderen Kandidaten verantwortlich: Die Inflation an TV-Konfrontationen sorgt dafür, dass es bis zur letzten Elefantenrunde heute im ORF keinen klarer Sieger und Verlierer der TV-Duelle gibt. Wir erlebten fast jeden Spitzenkandidaten einmal angriffig, einmal müde-wehleidig, einmal schlagfertig, einmal defensiv, einmal leicht von der Rolle. Ja selbst Matthias Strolz war in zumindest einer Debatte einmal nicht voll aufgedreht.

Die rot-blaue Variante, die die roten Burgenländer und wohl auch Kern zwecks Revanche für den frustrierenden Wahlkampf an Kurz gut gefallen würde, wird übrigens schwieriger: Bürgermeister Michael Häupl schließt das kategorisch aus. Sollte das Kern bei Vorhandensein einer Mehrheit mit der FPÖ versuchen wollen, wird es nun viel mühsamer für ihn.

Heute Abend gibt es einen besonderen Elefantenrunden-Ticker: Bei uns nimmt Peter Pilz digital an der Runde teil. Und zwar unter: http://diepresse.com/home/innenpolitik/nationalratswahl/5296167

Dürfte unterhaltsam werden. Noch drei Mal schlafen. Wenn auch wieder nur kurz schlafen.

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